Südwestpresse: Für Mindestlohn und gegen Hartz IV

Zuhören und Fragen stellen: Stefan Straub (Linke) vertraut auf die Kraft der Argumente.
Der ehemalige Bundesgeschäftsführer der Naturfreunde Deutschlands schätzt die Natur.

„Je stärker die Linke, desto sozialer das Land“: Stefan Straub, der für die Linke im Wahlkreis Reutlingen antritt, ist von der Richtigkeit dieser Aussage fest überzeugt. Wir haben ihn im Wahlkampf begleitet.

RALPH BAUSINGER

Reutlingen „Linke im Aufwind“: Mit Genugtuung zitiert Sybille Stamm eine Überschrift aus der Stuttgarter Zeitung vom Donnerstag. Stefan Straub – er tritt für die Linke im Wahlkreis 289 an – hat die ehemalige Verdi-Landesvorsitzende Stamm am Hauptbahnhof abgeholt, gemeinsam gehen die Beiden durch die Innenstadt zum Tübinger Tor. Dort hat Verdi einen Infostand zum Thema „Mindestlohn“ aufgebaut und dort – die Welt ist ja klein – verteilt auch die Grünen-Kandidatin Beate Müller-Gemmeke ihre Flyer.

Am Stand wartet schon Martin Gross, Geschäftsführer von Verdi Neckar-Alb. Man kennt sich und teilt ein politisches Ziel: Die Linke fordert, wie auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, einen allgemeinen Mindestlohn. Zehn Euro die Stunde sollen es sein – 2,50 Euro mehr, als Verdi verlangt. Das Argument von CDU/CSU und FDP, dass ein Mindestlohn Arbeitsplätze koste, sei „Quatsch“, sagt Straub und verweist auf die Erfahrungen in anderen europäischen Ländern.

„Menschen kommen vor Profit“, erklärt das Gründungsmitglied der Linken, das auch die Abschaffung von Hartz-IV fordert und dessen Partei sich für eine „Millionärssteuer“ einsetzt. Ihm geht es darum, Strukturen zu schaffen, die soziale Gerechtigkeit ermöglichen.

Im Gespräch mit Gross will Verdi-Mitglied Straub auch erfahren, wie die Stimmung in den Betrieben der Region ist. Versuche, einen Betrieb wie beispielsweise Rieber aufzuspalten, sind für ihn der offensichtliche Versuch der Arbeitgeber, die Rechte und das Einkommen der Arbeitnehmer zu beschneiden. Doch wie lässt sich hier gegensteuern? Straub bringt einen Vorschlag seiner Partei ins Gespräch, Outsourcing nur mit Zustimmung des Betriebsrats zu erlauben.

Der Verdi-Geschäftsführer berichtet Straub und Stamm von einem wachsenden Prekariat, beklagt, dass die Arbeitnehmer immer mehr auf Leiharbeiter statt fest angestellter Mitarbeiter setzen. In der Arbeitswelt habe der Druck zugenommen, unter schlechteren Verhältnissen mehr zu leisten. Gross sieht in den kommenden Jahren eine starke Auseinandersetzung über die Frage, was gute und faire Arbeit bedeutet, auf die Gesellschaft zukommen; eine Auseinandersetzung neuer Qualität.

Der Auftritt am Mindestlohnstand macht deutlich, wie Straub seinen Wahlkampf konzipiert hat: Keine Fensterreden halten, vielmehr zuhören und Fragen stellen. Er sei kein typischer Parteimensch, kein Mann, der sich nach vorne drängt. „Wir haben beschlossen, einen argumentativen Wahlkampf zu machen, keine Happenings“. Die Linke habe, ist Straub überzeugt, ihr Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft, strebe mittelfristig die Beteiligung an einer rot-rot-grünen Regierung an. Aber: „Wir gehen in keine Koalition, in der wir unsere Prinzipien aufgeben müssen.“

Straub hofft, dass seine Partei am 27. September bundesweit ein zweistelliges Ergebnis erreicht, er selbst wäre mit fünf Prozent durchaus zufrieden. Die Linke müsse stark werden, um soziale Grausamkeiten einer schwarz-gelben Regierung zu verhindern.

Die Erfahrungen beim samstäglichen Informationsstand der Linken auf dem Marktplatz machen Mut. Die Leute reagierten mit Interesse, selbst das immerhin 53 Seiten starke Parteiprogramm werde nachgefragt, erzählt Straub, der Mitglied im Kreisvorstand der Linken ist, aber darüber hinaus kein politisches Amt mehr bekleidet.

Ihm selbst gehe es gar nicht darum, räumt der 64-Jährige freimütig im Gespräch ein, als Abgeordneter nach Berlin zu gehen, obwohl er die Hauptstadt mag. Schließlich leben dort seine Kinder.

Erscheinungsdatum: Samstag 12.09.2009
Quelle: http://www.suedwest-aktiv.de/

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