Die November-Revolution in Reutlingen

Ansichtskarte zur Ausrufung der Republik am 11. November 1918 –
Reutlinger Rathaus

Am Montag, 11. November 1918

Rote Fahnen gehisst

Ende Oktober 1918 sollte die Entscheidungsschlacht der Marine gegen die britische Flotte herbeigeführt werden. Die Marinesoldaten rebellierten dagegen. Von Kiel aus trugen die Matrosen die Revolution durch ganz Deutschland. Überall schlossen sich Soldaten und Arbeiter an. Sie wählten Räte als Organe ihrer neuen Macht. Am 9. November erreichte die Revolution Berlin. Es wurde von Philipp Scheidemann (SPD) die „Republik“ und von Karl Liebknecht (Spartakusbund) die „Deutsche Sozialistische Republik“ ausgerufen. In wenigen Monaten wurde mehr erreicht, als in 50 Jahren zuvor: Republik, 8-Stundentag, 1. Mai arbeitsfreier Arbeitstag 1919, Frauenwahlrecht, Betriebsrätegesetz, Anerkennung von Gewerkschaften und Tarifverträgen. Versäumt wurde allerdings, die Macht der Junker und der Ruhr-Barone zu brechen. Sie behielten Besitz und politischen Einfluss. Sie nutzten beides gegen die Republik.

Am 4. November 1918 bildete sich in Stuttgart ein Arbeiterrat. Der Schriftsetzer Fritz Rück und August Thalheimer waren Mitglieder, es begann die Revolution in Stuttgart. Daraufhin versuchte die württembergische Regierung durch Verhaftung der beiden Spartakusführer Fritz Rück und August Thalheimer am 6./7. November 1918 die Unruhen in Stuttgart zu unterdrücken. August Thalheimer war vom 31. August bis 4. November 1918 in Reutlingen gemeldet. Er war Aushilfslehrer an der Oberrealschule (heute Keplergymnasium) bis Sonntag 20. Oktober. August Thalheimer arbeitete im 5köpfigen Spartakisten-Aktionsausschuss in Stuttgart zur Vorbereitung des Umsturzes mit.

In Reutlingen erschienen am Abend des 9. November Extrablätter des Reutlinger Generalanzeigers und der Schwarzwälder Kreiszeitung mit der Meldung, dass in Stuttgart die Republik ausgerufen wurde. Am Wochenende vom 9. auf den 10. November übernahm der Soldatenrat in der Garnison Reutlingen die Führung. Im Laufe des Sonntags, 10. November bildete sich ein von der SPD dominierter 16köpfiger Arbeiterrat. Arbeiter- und Soldatenrat erließen gemeinsam die Anordnung, dass am 11. November alle Reutlinger Betriebe geschlossen bleiben. Gleichzeitig wurde zu einer Kundgebung für den 11. November aufgerufen.

Am Montag 11. November wurden auf der Reutlinger Kaserne (Hermann-Kurz-Schule), dem Oberamt (Landratsamt) und dem Rathaus Rote Fahnen gehisst. 5.000 bis 6.000 Menschen marschierten zu einer Kundgebung auf dem Markplatz. Da es noch keine Lautsprecheranlagen gab, wurden 3 Rednerbühnen aufgebaut, um viele Menschen von den Rednern zu erreichen, Es sprachen die drei Arbeiterrats-Mitglieder Jacob Kurz, Albert Ruoff und Ludwig Sailer für die Einführung der Republik aus. Am Rathaus wurde die Rote Fahne gehisst. So schnell wie die Revolution nach Reutlingen kam war sie auch wieder weg.
(Holger Lange, Historiker, Reutlingen).

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