Linke-Liste sieht Luft nach oben bei Gewerbesteuer

Reutlinger Generalanzeiger 23.11.2016
Haushalt
– Hebesatz soll auf 400 Punkte: Linke Liste will für Mehrausgaben die Wirtschaft in die Pflicht nehmen

VON HANS JÖRG CONZELMANN

REUTLINGEN. »Mängel im Bereich Jugend« sehen die Linken im Haushaltsplan der Stadt für die Jahre 2017/18. Gemeinsam mit anderen Fraktionen wollen sie den Jugendtreff in Gönningen ersetzen, in Ohmenhausen einen neuen Jugendtreff bauen, wie dies bereits vor zwei Jahren beschlossen wurde. Beides kostet 450 000 Euro, wurde im Laufe des Jahres aber mittels einer »Prioritätenliste« verschoben, unter anderem deshalb, weil das Geld für Schadstoffsanierungen und Flüchtlingsunterkünfte gebraucht wurde. »Beschlossen ist beschlossen«, sagt Stadträtin Jessica Tatti.

Linken-Vorschlag für den Haushalt: 18000 Euro jährlich fürs »Kamino«.

Linken-Vorschlag für den Haushalt: 18000 Euro jährlich fürs »Kamino«. FOTO: Gerlinde Trinkhaus

Für die Jugend gibt es deshalb von den Linken ein ganzes Bündel von Anträgen. Unter anderem soll das selbstverwaltete Jugendhaus Zelle bedient werden – zum 50. Geburtstag mit einem einmaligen Zuschuss von 15 000 Euro. Familien sollen entlastet werden, indem sie für das dritte Kindergartenjahr keine Gebühren bezahlen müssen. Das dürfte zwischen einer und 1,4 Millionen Euro kosten.

»Eine gewisse Reserviertheit der Verwaltung«
Gleich teuer wird der Ausbau der Minna-Specht-Gemeinschaftsschule (früher Hermann-Hesse-Realschule und Gerhard-Hauptmann-Schule). Während die Hofmann-Schule in Betzingen und das Bildungszentrum Nord (BZN) Eingang in den Haushaltsplanentwurf fanden, ist die Minna-Specht-Schule nicht berücksichtigt. Eigentlich sollte der erste Bauabschnitt bereits erledigt sein, geschehen ist aber nichts. Die zeitliche Verzögerung halten die Linken für nicht akzeptabel. Die Schule gerate ins Hintertreffen, befürchtet Stadtrat Thomas Ziegler. »Wir vermuten gegenüber dem Projekt Gemeinschaftsschule eine gewisse Reserviertheit der Verwaltung.«

Die Vergabe des Gutscheinheftes soll außerdem gerechter werden. »Etliche Personengruppen fallen raus«, sagt Tatti. Unter anderem sollen Empfänger von Wohngeld und deren Kinder in den Empfängerkreis aufgenommen werden, ebenso Menschen, deren Einkommen das Existenzminimum um nicht mehr als 30 Prozent überschreiten.

Im Bereich Kultur stellen die Linken den Antrag, das Programmkino »Kamino« mit jährlich 18 000 Euro zu unterstützen. »Wir finden es sehr schade, dass es bereits zum zweiten Mal von der Verwaltung überhaupt nicht anerkannt wird«, kommentiert Tatti das Fehlen eines Zuschusses im Haushaltsentwurf. Ziegler sieht die Nichtaufnahme als »Affront, der unverständlich bleibt«.

Sträflich vernachlässigt sehen die Linken die Bezirksgemeinden im neuen Haushalt. Es sei nicht einzusehen, dass mehrere Anträge von der Verwaltung abgelehnt worden seien. Geht es nach den Linken, wird die Echaz-Brücke in Betzingen möglichst schnell hochwasserfest gemacht, die Herzog-Ulrich-Halle in Reicheneck ertüchtigt und die Sanitäranlagen in der Gemeindehalle in Rommelsbach saniert. Für die Kulturscheune in Oferdingen sollen vorsorgliche Mehrkosten in Höhe von 90 000 Euro in den Haushalt einfließen.

Decken möchten die Linken ihre Mehrausgaben mit einer Anhebung des Gewerbesteuerhebesatzes um 20 Prozentpunkte auf 400 v.H. Das würde pro Jahr 2,5 Millionen Euro bringen. »Wir sehen die Wirtschaft in der Pflicht«, sagt Ziegler. Man wolle niemanden schröpfen, aber die Wirtschaft müsse in dem Maße in die Pflicht genommen werden, wie dies vergleichbare Städte bereits tun.

Ferner wollen die Linken einen Posten streichen, der pro Jahr mit rund 30 000 Euro kalkuliert sei, nämlich die Gutachten- und Rechtsberatungskosten für die Auskreisung. Zwar weise der Haushalt diese Position nicht mehr aus, doch man wolle damit erneut in die Diskussion um das Thema Auskreisung kommen.

Grundsätzlich tragen die Linken die Linie der Verwaltung mit. Die vergangenen Jahre seien von massiven Einschnitten geprägt gewesen. Der aktuelle Investitionskurs der Kommune sei deshalb notwendig. »Wir haben einen enormen Aufholbedarf.« Dazu gehören laut Ziegler das neue Buskonzept im Haushalt, die Oberamteistraße sowie der strategische Erwerb von Grundstücken für Wohnungs- und Gewerbeansiedlung. (GEA)

Die Linke Liste

Die Linke Liste ging gestärkt aus der Kommunalwahl 2014 hervor. Einzelkämpfer Thomas Ziegler hat seither in Jessica Tatti eine Mitstreiterin gefunden. Eine Fraktion bilden die beiden Stadträte jedoch nicht, denn hierfür sind laut der Geschäftsordnung des Gemeinderats mindestens drei Mandate erforderlich. Ihr Antrag auf Änderung des entsprechenden Passus wurde dieses Jahr von einer knappen Gemeinderatsmehrheit abgelehnt. (rh)

Die Anträge >>>
 

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