MdB Sabine Leidig in Reutlingen

Reutlinger Linke prüfen »Stuttgart 21« und das Regionalbahn-Konzept nach den Kriterien einer solidarischen Mobilitätspolitik

»Ich spreche lieber von Mobilitätspolitik als von Verkehrspolitik,« betonte die verkehrspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag einleitend zu ihrem Referat im Haus der Jugend. Der Kreisverband der Reutlinger Linken hatte sie eingeladen und gemeinsam mit Petra Braun-Seitz, der Reutlinger Kandidatin zur Landtagswahl gestaltete sie den Vortragsteil dieser Veranstaltung zum Thema „Solidarische Mobilität“.

Dass globales Denken eng mit lokalem Handeln zu tun hat, wurde an diesem Abend deutlich, denn der Bogen spannte sich über Klimakatastrophe und »Stuttgart 21« bis hin zum Regionalbahnkonzept Neckar-Alb.

»Die Vertunnelung des Bahnhofs ist eine reine Spekulationsgeschichte und hat mit einer Verbesserung der Bahnverbindungen und der regionalen Infrastruktur überhaupt nichts zu tun,« so Sabine Leidig. Die Bahn habe in den letzten Jahrzehnten das Schienennetz um etwa 20% gekappt und investiere vorwiegend in Bereiche für Hochgeschwindigkeitsverbindungen und Geschäftsreisende. »Rund 60% aller Investitionen der Bahn AG flossen seit 1994 in solche Projekte,« ergänzte Petra Braun-Seitz. Peter Stary wies auf einen einzigartigen Kahlschlag bei Arbeitsplätzen hin: »Etwa die Hälfte aller Arbeitsplätze bei Bundesbahn und ehemaliger DDR-Reichsbahn wurden seit 1990 vernichtet,« die Folgen seien Arbeitsverdichtung für die verbliebenen Beschäftigten und massive Einschränkungen beim Service. Fahrgäste am Reutlinger Bahnhof können das täglich erleben: Komplizierte Automaten statt Beratung am Bahnschalter, keine Ansprechpartner für Auskünfte und ungepflegte Bahnsteige und Gebäude.

Die einseitige Orientierung auf das Auto einerseits und der Rückzug der Bahn aus der ländlichen Fläche andererseits bedeute für viele Menschen, dass sie in ihrer Mobilität eingeschränkt werden. Petra Braun-Seitz: ”Ältere und behinderte Menschen, sowie solche, die sich kein Auto leisten können oder wollen, sind abgehängt.“ Abgesehen davon sei angesichts versiegender Ölquellen und steigender CO2-Belastung die Autopolitik eine Fahrt gegen die Wand: »Was die Klimaforschung in der Vergangenheit prognostiziert hat, beispielsweise zur Gletscherschmelze als Klimaindikator, ist heute meist in der schlimmsten Variante eingetroffen,« so Sabine Leidig.

„Jene Völker, die am wenigsten Mitschuld an dieser sich anbahnenden Katastrophe haben, werden am meisten davon betroffen sein.“ gab sie zu denken. Deshalb sei das Verkehr- und Klimaproblem auch eine »Frage der globalen Solidarität.«

Petra Braun-Seitz schilderte das Konzept für eine Regional-Stadtbahn Neckar-Alb, das auch von den Reutlinger Linken unterstützt wird: »Überall dort, wo Stadtbahnen im ÖPNV angeboten wurden, waren sie erfolgreich und haben oft die kühnsten Erwartungen übertroffen.“ Eine Verkehrsentlastung der Reutlinger Innenstadt könne nur durch Ausbau des ÖPNV eintreten. In der Diskussion wurde allerdings die Ernsthaftigkeit der Politik, dieses Konzept auch wirklich umzusetzen, hinterfragt. Stefan Straub: »Wie glaubhaft ist ein Landrat, der hier schöne Folien präsentiert und auf der anderen Seite lauthals das Projekt S21 unterstützt, das der Region gar nichts bringt aber Unsummen jener öffentlichen Mittel versenkt, die für Verkehrsprojekte zur Verfügung stehen?« Straub weiter: »Wenn Regionalpolitiker gleichzeitig »S21« forderten, dann dient dieses Regionalbahnkonzept allenfalls der Augenwischerei und hat den Wahrheitswert des Sterntalermärchens.“

Das Resumeé der Veranstaltung: Investitionen für Schienenverkehr sind grundsätzlich dann begrüßenswert, wenn sie der Infrastruktur nützen und nicht ominösen Grundstücksgeschäften, wie bei »S21«. Regionalbahnen sind besonders förderungswürdig, weil der überwiegende Teil der Bahnkunden regionale Nutzer sind.

Peter Stary

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