Scheinheilig und verlogen

Vom Fluch und Segen des Kredits und Spekulierens
Die Kreissparkasse Reutlingen will mit dem Planspiel Börse Schüler und Studenten zu verantwortungsvollem Umgang mit Geld anregen, ökonomisches und Wirtschaftswissen fördern und durch die „Nachhaltigkeitswertung“ auf Unternehmen aufmerksam machen, die wirtschaftlichen Erfolg mit sozialer Verantwortung und Schonung der Umwelt verbinden. So weit, so gut der schönen Worte. Nach einem Motto von Angela Merkel „Ich will auch Taten sehen“, habe ich mir die insgesamt 175 Wertpapiere genauer angesehen, die den Schülern und Studenten zur Auswahl stehen. Ich weiss nicht welcher Experte des Kreissparkassenverbandes für diese Auswahl verantwortlich ist, aber es ist in höchstem Masse unverantwortlich Aktien z.B. der Fa. Allianz SE in diese Auswahl aufzunehmen: Nach einer Studie von oxfam hat die Allianz im Jahre 2011 mehr als 6,2 Milliarden € in Agrarfonds investiert und laut dem Flassbeck-Report der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung ist die Steig-erung der Weltmarktpreise für Reis, Mais und Weizen zu mindestens 37 Prozent auf Spekulationsgewinne zurückzuführen. Unbestritten ist, dass steigende Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel für weite Kreise der Bevölkerung in der Dritten Welt, die 80 % ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben, Hunger und Unterernährung drastisch verschärft. Unbestritten ist auch, dass Dürre und Überschwemmungen, weltweite Miss-ernten und die Umnutzung von Agrarflächen z.B. in den USA zum Anbau von Biosprit, oder durch den Aufkauf von Agrarflächen in Afrika zu eben diesem Zweck, der Anstieg der Weltbevölkerung und erhöhter Fleischkonsum mit zum Anstieg der Preise für Grundnahrungsmittel beitragen. Nun will ich der Sparkassengruppe nicht grundsätzlich die Lernfähigkeit absprechen: Immerhin hat die Deka-Bank (Die Fondgesellschaft der Sparkassen) im April diesen Jahres angekündigt, sich aus dem Spekulationsgeschäft mit Grundnahrungsmitteln zurückzuziehen. Nun komme ich auf die „Nachhaltigkeitswertung“ des Börsenplanspiels zurück: Ein Unternehmen wird dann als nachhaltig bewertet, wenn es auf freiwilliger Basis soziale und Umweltbelange stärker berücksichtigt, als dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Im Depot der 175 ausgewählten Unternehmen erhält z.B. die BNP Paribas (aus der Kategorie Banken/Finanzen/Versicherer) ein Nachhaltigkeitsplus. Mag ja sein, dass BNP Paribas nachhaltiger wirtschaftet als gesetzlich vorgeschrieben: Gleichzeitig steht aber fest, dass BNP Paribas ähnlich wie die Allianz massiv mit Agrarrohstoffen spekuliert. Noch eine Bemerkung zu Krediten und Zins. Im Jahre 1139 hat das Laterankonzil der katholischen Kirche die Erhebung von Zinsen geächtet: „Wer Zins nimmt, soll aus der Kirche ausgestoßen werden und nur nach strenger Buße wieder aufgenommen werden. Einem Zinsnehmer, der ohne Bekehrung stirbt, soll das christliche Begräbnis verweigert werden.“ Ich weiss nicht, ob ich die Bankmanager der Kreissparkassen aus ihrer Verantwortung entlassen sollte, dass sie, anstatt sich auf ihr ursprüngliches Geschäft zu beschränken, zum Investmentbanking aufgrund der Konkurrenz, und nicht zuletzt aufgrund der Erwartungen ihrer Kunden auf eine möglichst hohe Rendite „gezwungen“ sind; nicht entlassen kann ich sie aus ihrer Verantwortung, dass sie selbst bei der Heranführung von Schülern und Jugendlichen mit dem Börsenplanspiel zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Geld – selbst bei Berücksichtigung nachhaltiger Produktion – der Spekulation mit Wertpapieren von Agrarfonds, von Banken die „too big to fail“ sind“ und von Waffen produzierenden Firmen gleiche Gewinnchancen einräumen, anstatt sie aus dem Depot raus zuschmeissen.
Gastbeitrag von Johann Kuttner, 20.Oktober 2012

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