Zu Besuch beim linken Arbeitskreis Kommunalpolitik: der Geschäftsführer der Filharmonie Filderstadt

Im Ranking der Kultur- und Kongresszentren in der Region nimmt die Filharmonie Filderstadt einen Spitzenplatz ein. Anlass für die Reutlinger Linken, deren Geschäftsführer Thomas Löffler einzuladen und nach seinen Erfahrungen zu fragen.
Dieser führte aus, dass eine wesentliche Bedingung des Filderstädter Erfolgs eine gute Mischung aus kulturellen Veranstaltungen, Business-Veranstaltungen und sogenannten „gesellschaftlichen Veranstaltungen“ (Privatfeiern, Bälle etc.) sei. So habe die FILharmonie den Auftrag zur Durchführung des städtischen Veranstaltungsprogramms erhalten. Dafür wäre ihm als Geschäftsführer der frühere Veranstaltungsleiter des Kulturamts der Stadt Filderstadt zur Seite gestellt worden.
Eine solche kulturelle Ausrichtung vermissen aber nicht nur die Reutlinger Linken beim Reutlinger Stadthallen-Management. Auch die Reutlinger Stadthalle soll ja eine „Halle für alle“ werden. Diesen Ansatz begrüßen die Reutlinger Linken, haben aber Zweifel, ob dieser ohne kulturelle Leitung umgesetzt werden kann. Dazu wäre ein Beirat bzw. Kulturausschuss erforderlich, in dem sich die Reutlinger Kulturszene widerspiegelt. Beides ist nicht in Sicht. Da fragen sich die Linken, ob die vorhandene Reutlinger Kulturkonzeption an einer wichtigen Stelle n i c h t umgesetzt werden soll.
Nicht unwichtig: überrascht zeigte sich der Filderstädter Geschäftsführer über den avisierten Personalbedarf von 20 Stellen. In Filderstadt genügt der halbe Personalstamm. Und darin ist das Kultur-Veranstaltungsmanagement der Stadt Filderstadt enthalten (mit einem Aboprogramm mit mehreren Abos und über 1000 Abonnenten) sowie weiteren Aufgaben im Filderstädter Stadtmarketing (wie das Betreiben der Karten-Vorverkaufsstelle im i-Punkt). Wenn die Personalausstattung wie geplant umgesetzt werde, müsste die Reutlinger Halle deutlich höhere Personalkosten einplanen.
Außerdem scheint es in Reutlingen an der für die Filharmonie wichtigsten Einnahmequelle zu fehlen: an vielen kleineren Nebenräumen, um sich als Seminar- und Tagungsstätte anzubieten. Dazu gehöre dann auch die gastronomische Versorgung dieser Veranstaltungen. Für die Ausrichtung der Gesellschaftsveranstaltungen in Filderstadt sei ein kompetenter Pächter und ehemaliger Sternekoch für das hausinterne Restaurant „Kulisse“ gesucht und gefunden worden.
Allein mit kulturellen Veranstaltungen könne man unter wirtschaftlichem Aspekt nur tiefrote Zahlen schreiben. Man müsse sich also entscheiden: soll die neue Stadthalle tatsächlich eine „Halle für alle“ mit kultureller Ausrichtung werden, dann müsse man den entsprechenden Abmangel tragen und politisch dafür gerade stehen. Kultur ist Daseinsfürsorge für die Bürger, aber keine Quelle für die Erzielung von Gewinnen.
Zum Veranstaltungs-„Mix“ in Filderstadt: 2010 verbuchte die FILharmonie etwas über 700 Veranstaltungen, davon waren 500 = 75 % Business-Veranstaltungen, 100 = 15 % Gesellschafts-veranstaltungen und 70 = 10 % Kulturveranstaltungen. Das wirtschaftliche Ergebnis war so gut wie nie zuvor. Das wäre aber ohne die Einnahmen aus dem Seminar- und Tagungsgeschäft nicht möglich gewesen.
Sollte in Reutlingen in Nachbarschaft zur Stadthalle ein Hotel gebaut werden, das diese Einnahme- Quelle nutzt, würden wieder einmal Gewinne in private Taschen fließen und Verluste von der öffentlichen Hand zu tragen sein.
Die LINKEN, die sich grundsätzlich für den Bau der Stadthalle als Teil der Reutlinger Kulturkonzeption ausgesprochen haben, befürchten, dass die Stadthalle mit zweit- und drittklassigen Programmfüllern aus dem „Low-Budget-Bereich“ bespielt werden wird und ein kulturell anspruchsvolles Publikum kaum zu einem massenhaften Besuch der Kulturveranstaltungen animieren wird.
Zum Schluss: die Linke schlägt vor, der Reutlinger Stadthalle in einem Namens-Wettbewerb einen Namen zu geben, der einen regionalen Bezug herstellt und die Identifikation zu einer Halle erhöht, die für alle da sein soll. In Filderstadt hat es zum Beispiel diesen Namenswettbewerb gegeben und über 800 Namensvorschläge sind dort eingegangen. Der Name FILharmonie ist heute in Filderstadt fest in der Bevölkerung verankert und trägt zum Selbstbewusstsein unserer Nachbarkommune bei.
Es bleibt festzuhalten, dass der Austausch mit Herrn Löffler außerordentlich effektiv war – wir bedanken uns ganz herzlich dafür.

1 Comment
  • Peter Stary
    Posted at 06:25h, 13 Juli Antworten

    Der jüngste Pressebericht des kommunalpolitischen Arbeitskreises zur Stadthalle löst bei Leuten, welche die Geschichte des Reutlinger Stadthallenbaus kennen, Heiterkeit aus: sind die Linken jetzt, fast zehn Jahre nachdem das „Kultur- und Kongresszentrum Reutlingen“ per Bürgerentscheid beerdigt wurde, posthum für eine Auferstehung desselben? Werden jetzt nach den Wünschen der Linken die alten „K&K“ Pläne aus den Schubladen geholt und der Neubau wird wieder abgerissen?
    Zum Verständnis: Das beerdigte K&K-Zentrum sollte nach genau jenem Prinzip funktionieren, das der Geschäftsführer der Filharmonie in dem Pressebericht der „Linken Liste“ präsentierte: Ein starker wirtschaftlicher Baum, bestehend aus Business-Kongressen und Tagungen (in Filderstadt: etwa 3/4 der Einnahmen) möge einen blühenden Kultur-Ast tragen, dieser darf dann auf dem soliden wirtschaftlichen Business-Sockel ruhig ein wenig Defizit machen.
    Ich will mal davon absehen, dass ich solche Konzepte grundsätzlich für fragwürdig halte, weil sie Kultur so behandeln, wie das in der Zeit vor Beethoven üblich war: als Spielzeug und Statussymbol, das sich die Mächtigen und Reichen nebenbei leisten, früher der Adel, heute „Business“ und Kapital.
    Aber zu seiner Zeit, vor zehn, zwölf Jahren, wurde – auch von mir – das „K&K“-Konzept als einziger gangbarer und mehrheitlich unterstützter Weg gesehen, der in absehbarer Zeit zu einem Neubau führen kann.
    Eine Bürgerinitiative schaffte es damals, diese Konzeption „Business stützt Kultur“ in Frage zu stellen und die Skepsis dagegen zur Mehrheitsmeinung zu machen. Nicht aus grundsätzlichen Erwägungen. Vielmehr gäbe es keinen ausreichenden Markt im Kongress- und Tagungsbetrieb, so hieß es.
    Gutachten gab es – wie immer – für und gegen diese Annahme.
    Ob es geklappt hätte, wird niemand je sagen können, jedenfalls ist heute das „K&K“ Konzept in Reutlingen sowas von weit weg, dass sich sogar die ehemaligen Befürworter heute kaum noch dazu bekennen würden.
    Jetzt kommt „Die Linke Liste“ und vermisst diese „wichtigsten Einnahmequellen“ aus Wirtschaft und Gastronomie im Stadthallenkonzept, weil man sonst „unter wirtschaftlichem Aspekt nur tiefrote Zahlen schreiben“ könne. In kulturpolitischen Diskussionen ist das eine lupenreine CDU/FDP-Position und zeugt, wenn von „Linken“ geäußert, nicht gerade von kulturpolitischer Kompetenz,
    meint Peter Stary

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