300 Demonstranten lauschten Zeitzeuge Bergmann

AUSCHWITZ GEDENKTAG RT gegen AFD

Theodor Bergmann bei seiner Rede

27.01.2017 Uschi Kurz, Schwäbisches Tagblatt

Laut, aber friedlich gegen den Rechtsruck

Ein buntes Völkchen protestierte am Freitagabend friedlich auf dem Reutlinger Marktplatz gegen den Neujahrsempfang zu dem der Kreisverband der Alternative für Deutschland ausgerechnet am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz in den Spitalhofsaal geladen hatte.

Als Linken-Stadtrat Thomas Ziegler die Kundgebung um 17 Uhr eröffnete, war die Gruppe der Demonstranten noch recht überschaubar, doch während der Grußworte von Rüdiger Weckmann und Jessica Tatti von den Linken und Harry Mischke (IG Metall) wurden es immer mehr. „Die AfD ist keine Alternative für Deutschland und auch nicht für Reutlingen“, rief Mischke unter großem Beifall. Das Rad der Geschichte dürfe nicht zurückgedreht werden.

Einer, der die dunkle Vergangenheit der deutschen Geschichte miterlebt hat, ist der Hauptredner Theodor Bergmann von der Initiative der Gewerkschaftslinken. Als er den Kundgebungswagen bestieg und mit kräftiger Stimme zu reden begann, lauschten rund 300 Menschen ergriffen dem 100-jährigen Zeitzeugen. Bergmann sprach gängige Vorurteile an und wandte sich vehement gegen Faschismus und Fremdenfeindlichkeit. Es seien keineswegs die Flüchtlinge, die anderen Bedürftigen die Wohnungen wegnehmen würden, wie es die AfD behaupte. Vielmehr gebe es den Wohnungsmangel schon viel länger. Auch die Behauptung, die Ausländer würden das soziale System ausnutzen, sei doch verlogen. Man müsse diese Menschen nur eingliedern und arbeiten lassen. Dann könne die Gesellschaft einen wirklichen Aufschwung erleben.

Dass die AfD ausgerechnet den Jahrestag der Befreiung von Auschwitz als Termin für ihren Neujahrsempfang gewählt habe, sei kein Zufall, sondern eine bewusste Provokation, so Bergmann unter anhaltendem Beifall. Viel Lob gab es auch für die Jugendlichen der Zelle, die maßgeblich zur Organisation der einstündigen Kundgebung beigetragen hatten zu der die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes, die Antifa und das Offene Treffen gegen Faschismus und Rassismus für Tübingen und die Region (OTFR) gemeinsam aufgerufen hatten.

Unterdessen hatte die Polizei Schranken aufgestellt, um den AfD-Sympathisanten einen möglichst ungehinderten Zugang in den Spitalhof zu ermöglichen. Ihr Weg dorthin geriet aber zum Spießrutenlauf, denn kaum war die Kundgebung zu Ende, versuchten die Demonstranten die Zugänge zu blockieren. Sie errichteten eine symbolische Mauer aus Pappkartons und bedachten jeden Besucher mit lauten Missfallens-Äußerungen. Das starke Aufgebot der Ordnungshüter, die unter anderem mit vier berittenen Polizisten vor Ort waren, sorgte jedoch dafür, dass die Veranstaltung problemlos besucht werden konnte.

Auch bei einer anschließenden spontanen Demonstration, die sich zum Bahnhof bewegte, blieb alles ruhig, wie Polizeisprecher Michael Schaal anschließend betonte. Das Konzept „laut, aber friedlich!“, das die Veranstalter ausgegeben hatten, ging diesmal voll auf. Und weder die äußere noch die Innere Sicherheit über die derweil drinnen im Spitalhofsaal Martin Hess, Dozent an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen, vor knapp 200 AfD-Anhänger(inne)n referierte, war in Gefahr.

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