Digitalisierung sozial gestalten!

Die Deutsche Bahn will in diesem Jahr rund 19.000 neue Mitarbeitereinstellen. Grund ist unter anderem der digitale Ausbau des Unternehmens. – 28. Januar 2018, Tagesschau.de


Drei Millionen Jobs könnten bis 2022 der Digitalisierung zum Opfer fallen, warnt der IT-Verband Bitkom. 2. Februar 2018, Tagesschau.de


Jessica Tatti MdB

Von Jessica Tatti, Sprecherin für Arbeit 4.0 der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Innerhalb von fünf Tagen berichtet die Tagesschau gegensätzlich über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Beschäftigung. Das verdeutlicht wie ambivalent sich der Wandel des Arbeitsmarktes durch technologische Neuerungen vollziehen kann. Rationalisierungsprozesse und veränderte Anforderungen durch den technischen Fortschritt sind weder ein neues Phänomen noch ist die Digitalisierung eine Naturgewalt, die über uns hereinbricht und nur eine einzige Handlungsweise zuließe. Doch sie wirft zweifelsohne die Frage auf, wie wir von Schreckensszenarien zur sozialen Gestaltung der Digitalisierung kommen. Denn die Konzerne haben längst begonnen für ihre Interessen einzutreten.

Arbeitgeberverbände bauen Drohkulisse auf

Der IT-Branchenverband Bitkom erwartet für Deutschland bis 2025 ein durch die Industrie 4.0 generiertes Wirtschaftswachstum von 78 Milliarden, verbunden mit Wachstumsraten von bis zu 30 Prozent in einzelnen Branchen wie dem Maschinen- und Anlagenbau. Solche Zahlen erzeugen politischen Handlungsdruck.

Wie die „Globalisierung“ als Druckmittel für die Agenda 2010,        Hartz I-IV und einen massiven Sozialstaatsabbau herhalten musste und der „demografische Wandel“ für weitreichende Rentenkürzungen, so gehen die Arbeitgeberverbände jetzt mit der „Industrie 4.0“ in die nächste Runde und kreieren eine neue Drohkulisse, um ihren Forderungen gegenüber der Politik Nachdruck zu verleihen.

Statt der notwendigen Eindämmung prekärer Beschäftigungsverhältnisse wie der Zeitarbeit und sachgrundloser Befristung, pocht der Bundesverband der Arbeitgeber auf die weitere Flexibilisierung und Deregulierung des Arbeitsmarktes. Tiefe Einschnitte in das deutsche Arbeitsrecht sollen durch Lockerungen im Arbeitszeit- und Kündigungsschutzgesetz sowie eine Ökonomisierung des Gesundheitsschutzes auf Kosten der Beschäftigten durchgesetzt werden. 

Digitaler Wandel im Interesse der Gesellschaft 

Dieser unsozialen Agenda setzt DIE LINKE entgegen, dass der digitale Wandel im Interesse der Gesellschaft gestaltet werden kann und muss. Die Technik entscheidet nicht, wie wir arbeiten und leben. Die Politik steht in der Verantwortung, die Rahmenbedingungen der Digitalisierung im Sinne des Gemeinwohls zu setzen anstatt Unternehmen weiter aus ihrer sozialen Verantwortung zu entlassen.

Wir wollen den Strukturwandel gemeinsam mit Beschäftigten und Gewerkschaften gestalten. Das erfordert mehr Mitbestimmungsrechte für Betriebsräte, auch in Fragen von Investition und Qualifizierung. Durch ein Recht auf Weiterbildung können sich die Beschäftigten die erforderlichen Kompetenzen für die digitale Arbeitswelt aneignen. Die Wirtschaft steht in der Pflicht sich an den Kosten zu beteiligen, zum Beispiel über einen Weiterbildungsfond.

Neu entstehende digitale Beschäftigungsgruppen wie die so genannten Crowd- und Clickworker sind arbeitsrechtlich abzusichern und in die sozialen Sicherungssysteme einzubeziehen.

Die Reduzierung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit für alle Beschäftigten ist grundlegende Voraussetzung für eine gelingende Digitalisierung im gesellschaftlichen Interesse. Eine generell kürzere Vollzeit bei vollem Lohnausgleich schafft mehr Beschäftigung für alle. 

Zur Bekämpfung der seit vielen Jahren auf hohem Niveau stagnierenden Langzeitarbeitslosigkeit braucht es einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, der echte Perspektiven für die Menschen schafft, statt sie unter Androhung von Sanktionen in Niedriglöhne und prekäre Arbeit zu drängen.

Dass es sich bei der Digitalisierung um ein Rationalisierungsprogramm handelt, ist Fakt. Wie aber die Produktivitätssteigerung durch den digitalen Fortschritt genutzt wird, ob es zu einer privaten Aneignung für wenige oder zur gesellschaftlichen Verteilung kommt, hängt von politischen Entscheidungen ab. Die wesentliche Frage, ob allein Konzerne oder die ganze Gesellschaft von der Digitalisierung profitieren, wird nicht von der Technik beantwortet. Es liegt an uns für eine solidarische Zukunft einzustehen.

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