Für eine linke Politik der Hoffnung

Am Donnerstag, den 24. März diskutieren wir ab 19:30 Uhr im LINKEN-Büro in einer Mitgliederversammlung über die Ergebnisse der Landtagswahlen und unsere Schlussfolgerungen.

 

Zur Anregung und Diskussion:

Die Linke muss die soziale Frage wieder ins Zentrum rücken

Nach den Niederlagen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt: Für eine Linke, »die glaubwürdig für ein Solidaritätsprojekt in Deutschland steht«
Von Sevim Dagdelen, Alexander Ulrich und Heike Hänsel
Der Wahlausgang in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt kommt einem politischen Erdbeben gleich. Dies betrifft nicht nur die AfD, die bei hohen Wahlbeteiligungen mit 15,1 Prozent, 12,6 Prozent und 24,2 Prozent erdrutschartige Erfolge erzielen konnte.

Heike Hänsel

Heike Hänsel

Dramatisch ist auch, dass die SPD nunmehr in vier der 16 Bundesländer unter die 20-Prozent-Marke gefallen ist und dort jeweils weniger als 15 Prozent erreicht (Sachsen: 12,4 Prozent, Thüringen: 12,4 Prozent, Sachsen-Anhalt: 10,5 Prozent, Baden-Württemberg: 12,7 Prozent). Dies war mit dramatischen Stimmenverlusten für die Sozialdemokratie verbunden. In Baden-Württemberg verlor die SPD über zehn Prozent der Stimmen, konkret: über 400.000 Wählerinnen und Wähler kehrten den Sozialdemokraten den Rücken. Auch in Sachsen-Anhalt ist die SPD mit einem Verlust von über zehn Prozentpunkten regelrecht abgestürzt.

Oft gibt es in Zeiten schwerer Wahlniederlagen die Versuchung, sich die Situation schön zu reden oder nicht die gesamte Dramatik wahrnehmen zu wollen. Nach den Landtagswahlen aber geht es für Die Linke um alles.
Während Die Linke in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz dahingehend enttäuschte, dass sie nur diejenigen für sich mobilisieren konnte, die sie schon immer gewählt haben und also der Einzug in die Landtage dort wieder nicht erreicht werden konnte, kam es in Sachsen-Anhalt zu einem kompletten Absturz. Von einst 23,7 Prozent im Jahr 2011 verlor die Partei 7,4 Prozent und landete bei lediglich 16,3 Prozent.

Sevim Dagdelen

Sevim Dagdelen

Auffällig sind dabei die hohen Verluste zugunsten der AfD. Während Die Linke von der SPD 9.000 Stimmen gewann, gingen 29.000 ihrer Wähler zur AfD. Dazu kommt, dass man praktisch keine Stimmen aus dem Nichtwählerbereich gewinnen konnte, während die AfD gerade hier punktete. Ohne diesen Bereich mitzuzählen, gingen also allein 2,5 Prozent der Wähler von der Linken zur AfD. Versucht man den Nichtwählerbereich mit zu quantifizieren ist von Verlusten von fünf Prozent auszugehen.
Im Vorfeld der drei Landtagswahlen hatte es leider zahlreiche Signale gegeben, dass in der Auseinandersetzung mit der AfD auch auf Wähler verzichtet werden könne. „Ganz ehrlich: Wenn uns das zwei oder drei Prozent kostet, dann ist das eben so“, erklärte etwa der Berliner Linke-Vorsitzende in der taz. Und auch aus der Linksfraktion im Bundestag gab es Wortmeldungen, von manchem Wähler müsse Die Linke sich eben »verabschieden«. Sicher waren diese Äußerungen auf die Akzeptanz von fremdenfeindlichen Ressentiments gemünzt, die verheerende Botschaft aber für Linke-Wähler war, dass man auch gerne auf ihre Stimmen verzichten könne.

Merkel verteidigen?

Einen ähnlichen Effekt könnte die Verteidigung der Politik Angela Merkels in der Frage der Flüchtlingsbewegungen gehabt haben. Die Bundeskanzlerin steht für viele Menschen für Sozialabbau und dafür, dass die, die unten in der Gesellschaft stehen, alleingelassen werden, während die Reichen immer reicher werden. Wer also Merkel verteidigte, wenn auch auf einem ganz anderen Feld, ging mit ihr unter. Hinzu kommt: Die Verteidigung von Merkel als progressiv ist in sich nicht stimmig. Sie steht für die größten Asylrechtsverschärfungen seit den 1990er Jahren, zugleich verhandelt sie mit der Türkei offensiv über eine komplette Abschottung der EU.
Der freiwillige Verzicht auf Wähler hat in der Linken eine gewisse Tradition. Bereits 2013 lobte das Neue Deutschland deren Leitung in der Euro-Frage entsprechend: »Dass die Parteiführung den populistischen Sirenenklängen der Euro-Gegner widerstand, zeigt ihre Bereitschaft und auch Fähigkeit, ein Bündnis mit der SPD einzugehen. Insofern könnte sich der momentan schmerzliche Wählerverlust schon bald als Beitrag für eine rot-rot-grüne Koalition auszahlen. Jetzt allerdings wird klar, dass es nicht mehr nur um zwei bis drei Prozent geht. Mit dem Einbrechen von Linkspartei und SPD werden sich in den ostdeutschen Bundesländern, vielleicht mit Ausnahme Berlins, künftig wohl rein arithmetisch keine rot-rot-grünen Koalitionen mehr bilden lassen. Der Streit um rote Haltelinien verlöre damit seine Grundlage. Ähnliches gilt für den Bund. Der Wählerverlust ist gleichbedeutend mit dem Verschwinden der Option auf eine Koalition unter Beteiligung der Linken.

Eine weitere Versuchung nach schmerzlichen Niederlagen ist, auf ein »Weiter so« zu orientieren oder sogar mögliche Fehlorientierungen noch intensiver zu wiederholen. Appelle, die AfD jetzt allein als faschistische Partei zu etikettieren, werden keinen einzigen Wähler für Die Linke zurückholen und schon gar nicht Wähler aus dem Nichtwählerbereich für eine linke Option mobilisieren. Jetzt auf Anti-AfD-Bündnisse zu setzen, deren Breite nur dadurch zustande kommt, dass die soziale Frage außen vor bleibt, hieße, das Scheitern von Linken in Europa, sei es in Großbritannien oder in Frankreich gegen die Rechte, neu in Szene zu setzen. Was wir statt dessen brauchen ist ein Bündnis gegen Neoliberalismus. Hier wird sich schnell zeigen, auf welcher Seite SPD und Grüne stehen.
Es ist eine reine Ablenkung von dieser politischen Zukunftsaufgabe, wenn man sich jetzt auf die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Sahra Wagenknecht, einschießt und ein Interview von ihr im Berliner Kurier für das schlechte Abschneiden bei den drei Landtagswahlen verantwortlich macht. Wagenknecht war es, die bei allen Wahlkampfauftritten für Die Linke punktete – auf der Straße wie in den Medien.
Tatsächlich nämlich hat Die Linke viel zu spät begonnen, die AfD sozial zu stellen. Wenn Die Linke es nicht schafft, die soziale Frage nach vorne zu stellen, wird sie auch nicht in das AfD-Wählerpotential bei Beschäftigten und Erwerbslosen einbrechen. Die dramatische Umverteilungspolitik, die die Superreichen mästet und die ärmere Hälfte der Bevölkerung immer ärmer macht, muss endlich ins Zentrum der Linke-Agenda. Ein Wahlkampf als reine Werteauseinandersetzung mit der AfD ist von vornherein verloren. Wir müssen uns erinnern, wozu Die Linke in diesem Land gegründet wurde. Die Partei wurde gegründet, um dieses Land sozialer zu machen. Sie wurde gegründet, um denen eine Stimme zu geben, die sich in einem brutalisierten Kapitalismus gegen die Mächtigen zur Wehr setzen. Mancher wird argumentieren, dass so keine Stimme von der AfD gewonnen werde. Im Moment muss allerdings alles getan werden, um gerade für die Wahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern im Herbst, aber auch dann im nächsten Jahr in Schleswig-Holstein, in Nordrhein-Westfalen und im Saarland den Trend umzukehren. Das kann nur gelingen mit einer Linken als starker sozialer Alternative, die die soziale Frage in den Mittelpunkt stellt und Anwalt für diejenigen ist, die an den unsozialen Verhältnissen leiden und gegen diese protestieren. Das wäre das stärkste Mittel, um der Demagogie der AfD entgegenzutreten, die die Menschen glauben machen will, wenn die Flüchtlinge nicht mehr da wären, ginge es den Beschäftigten und Erwerbslosen hierzulande besser. Diese soziale Offensive kann aber nur glaubwürdig geführt werden, wenn wir auch Union, SPD und Grüne für ihre unsoziale Politik schonungslos geißeln. Es ist Die Linke, die glaubwürdig für ein Solidaritätsprojekt in Deutschland steht.
Ein Befund aus allen Analysen ist, dass Personen bei den Wahlen immer wichtiger werden. Dies mag einem gefallen oder nicht, aber Die Linke sollte sich dem stellen. Das heißt aber auch, wir brauchen möglichst bald Klarheit über eine Doppelspitze für die Bundestagswahlen. Wir plädieren dabei für eine Doppelspitze, die auch nach außen Ausstrahlungskraft entfaltet und die Plätze und Säle der Republik füllt.
 

 

Ein Gastbeitrag von Bernd Riexinger im „Neuen Deutschland“

21.03.2016

Wir brauchen einen gesellschaftlichen Aufbruch gegen den Rechtsruck und die Große Koalition. Wie das gehen könnte?
Die Ergebnisse der Landtagswahlen am Sonntag sind ein herber Rückschlag für DIE LINKE und für alle Menschen im Land, die sich für soziale Gerechtigkeit und Demokratie einsetzen. Die Ergebnisse der Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden Württemberg und Rheinland-Pfalz stellen eine Zäsur in der politischen Landschaft dar. Seit Jahren weisen Studien auf ein Potenzial für rechte Parteien von 15 bis 20 Prozent hin. Der AfD gelingt es, dieses Potenzial zu bündeln. Das ist kein Grund zur Entwarnung. Im Gegenteil. Denn der Wahlerfolg der AfD ist nur die Spitze des Eisbergs. Wir erleben einen gefährlichen Anstieg rechter Gewalt gegen Flüchtlinge, einen rechten Kulturkampf wie die Stimmungsmache gegen »die Muslime« von Thilo Sarrazin oder Demonstrationen gegen die Errungenschaften der Frauenbewegung. Die Große Koalition hat schrittweise rechte Positionen übernommen, Seehofers Ausfälle und die Grünen mit ihrer Zustimmung zur Einschränkung des Asylrechtes vermitteln: die AfD wirkt, sie hat Erfolg. Der politische Diskurs insgesamt verschiebt sich nach rechts.

Ein Alarmsignal
Viele Menschen, deren soziale Lage sich nicht verbessert hat oder die Angst vor sozialem Abstieg haben, haben Rechts gewählt. Sie haben mit ihrer Stimme den etablierten Parteien einen Denkzettel verpasst und im besonderen Ausmaß die Parteien der großen Koalition abgestraft.
Für alle sozialen und demokratischen ist das Alarmsignal des Wahlsonntages, dass die AfD in Sachsen-Anhalt wie Baden-Württemberg stärkste Partei bei den Erwerbslosen und bei den ArbeiterInnen geworden ist, und auch viele gewerkschaftlich orientierte Lohnabhängige AfD gewählt haben. Es muss uns und den Gewerkschaften zu denken geben, dass über 15 Prozent der Gewerkschaftsmitglieder in Baden-Württemberg und 24 Prozent in Sachsen-Anhalt AfD gewählt haben, obwohl diese Partei ein gewerkschaftsfeindliches Programm hat.
Diese Menschen sind nicht alle rassistisch oder nationalistisch – aber sie stärken eine rassistische und rechtspopulistische Partei. Uns ist es nicht ausreichend gelungen, den antisozialen Charakter der AfD deutlich zu machen und zu verhindern, dass Erwerbslose, GeringverdienerInnen, abstiegsbedrohte Mittelschicht gegeneinander und gegen Flüchtlinge ausgespielt werden. Rico Gebhardt hat die zentrale Herausforderung auf den Punkt gebracht: »Den größten Beitrag, den wir Linke gegenwärtig gegen den Rechtstrend in Deutschland leisten können, ist, wenn wir die Arbeiterschaft und die Arbeitslosen zurückgewinnen. Das ist eine soziale Herausforderung mit hohem antifaschistischem Effekt!«

Prekarisierung, Konkurrenz, Unsicherheit»Solidarität im Eigeninteresse«
Der Aufstieg rechtspopulistischer Parteien in Europa ist nur vor dem Hintergrund der Erfahrungen von Prekarisierung, Entfesselung von Konkurrenz und Unsicherheit im Alltag zu verstehen. Für diese Entwicklungen sind CDU/CSU, SPD und Grüne verantwortlich. Die Schere zwischen arm und reich klafft immer mehr auseinander, auch weil Union, SPD, Grüne eine Politik für das eine Prozent der Superreichen und für reiche Erben machen. Millionen Menschen in Deutschland droht infolge der Renten»reformen« die Altersarmut. Seit ihrer Gründung liegt die besondere Funktion und Aufgabe der LINKEN darin, diesen Erfahrungen eine Stimme im Parlament und der Öffentlichkeit zu geben, mit den Menschen für Verbesserungen ihrer Lage zu kämpfen. Es muss auch für uns ein Warnsignal sein, wenn wir diese Rolle nicht mit wachsendem Erfolg ausfüllen.
Es ist richtig, dass wir nach der Wahl gemeinsam, solidarisch, kritisch und konstruktiv darüber diskutieren, welche Lehren aus den drei Wahlen zu ziehen sind. Eines werden wir sicher nicht tun: wir werden nicht mit einem Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik reagieren und unsere Grundwerte der Menschenrechte und Demokratie verraten. Das Grundrecht auf Asyl kennt keine Obergrenzen. Punkt.
Als LINKE setzen wir in dieser Situation nicht auf Parteienbündnisse, sondern auf das Engagement der Menschen im Land, auf gesellschaftliche Bündnisse, die aufklären, die Auseinandersetzung mit den Inhalten der AFD suchen. Daher ist die Gründung von »Aufstehen gegen Rassismus« genau das richtige Zeichen. Parlamentarische Koalitionen gegen rechtspopulistische Parteien laufen Gefahr, die Kritik an gesellschaftlichen Ursachen der Rechtsentwicklung eher unsichtbar zu machen. Wenn die SPD nicht die Reißleine zieht und endlich zu einer sozialen Politik für alle Menschen im Land findet, wird sie auch im Kampf gegen die Rechtsentwicklung scheitern.
Als linke Opposition werden wir den Druck weiter erhöhen für unsere »sozialen Garantien«: für eine sanktionsfreie Mindestsicherung statt Hartz IV, für eine armutsfeste Mindestrente, für höhere Löhne und gute, sichere, selbstbestimmtere und kürzere Arbeit statt Dauerstress und Existenzangst, für Geschlechtergerechtigkeit und die Stärkung der sozialen Infrastruktur mit bezahlbarem Wohnraum, besserer Gesundheitsversorgung und Bildung.

»Solidarität im Eigeninteresse«
Das wollen wir zusammen mit den vielen Menschen machen, die sich angesichts des Rechtsrucks zu Recht Sorgen machen und aktiv werden wollen. Hier gibt es Anlass zur Hoffnung. Entlang der Unterstützung von Flüchtlingen und des Kampfes gegen Rassismus und rechte Gewalt, aber auch des Protestes gegen das TTIP, Waffenexporte und einen zunehmend autoritären Kapitalismus politisieren sich gerade viele junge Menschen. In den letzten Tagen und Wochen sind viele junge Menschen in die Partei eingetreten. In den Großstädten, wo sich ein junges und links orientiertes Millieu bildet, hat die LINKE Zulauf.
Aber die neoliberale Entfesselung von Konkurrenz hat dazu geführt, dass viele Menschen im Alltag keine Erfahrung von Solidarität machen und sich eher nach »unten« abgrenzen als sich gegen eine unsoziale Politik und die Bereicherung der Manager und Superreichen zu wehren. Als LINKE ist es unsere zentrale Aufgabe, Angebote für »Solidarität im Eigeninteresse« zu machen und unsere Gegnerschaft zur neoliberalen Politik und dem einen Prozent der Superreichen auch in der Sprache deutlich zu machen.
Wir stehen als Gesellschaft an einem Scheideweg: werden größere Teile der Erwerbslosen, Prekären, GeringverdienerInnen und die abstiegsbedrohte Mittelschicht sich den Rechtspopulisten zuwenden und damit den Weg für eine noch unsozialere, autoritäre und antidemokratische Entwicklung bereiten. Oder gelingt es, Konkurrenz und Ent-Solidarisierung zurückzudrängen und ein solidarisches gesellschaftliches Bündnis von Erwerbslosen, prekär Beschäftigten, der lohnabhängigen Mittelschicht zu bilden.

Eine zeitgemäße Klassenpolitik
Die Orientierung auf ein solches Bündnis ist von Anfang an Kernbestand der Strategie von Katja Kipping und mir. Aber es ist zweifellos eine große Herausforderung eine zeitgemäße emanzipatorische – antirassistische wie feministische – Klassenpolitik zu entwickeln, die Selbstermächtigung und Solidarität fördert, Erwerbslose, Arbeiter und Arbeiterinnen, Alleinerziehende, prekär Beschäftigte und die abstiegsbedrohte Mittelschicht für solidarische Organisierung und Protest von links gewinnt.
Mit dem Kampf gegen prekäre Arbeits- und Lebensverhältnisse, mit dem Ausbau des Öffentlichen zu guten Wohnungen, guter Bildung, Gesundheitsversorgung und Pflege für alle und der klaren Position für eine radikale Umverteilung des Reichtums haben wir einen strategischen Anker entwickelt, der auch verhindern soll, dass sich die abstiegsbedrohte Mittelschicht nach »unten« abgrenzt. Dabei haben wir auch begonnen, gezielt auf die wachsende Zahl von Beschäftigten in den sozialen Dienstleistungen, in denen vor allem Frauen arbeiten, zuzugehen. Sie bekommen die Folgen der neoliberalen Profit- und Wettbewerbsorientierung in ihrem Arbeitsalltag besonders zu spüren, ihre Arbeit wird gesellschaftlich nicht ausreichend anerkannt. Gemeinsam als Partei sollten wir die Anstrengungen zur Verankerung im Alltag dieser Gruppen deutlich verstärken und zugleich unsere Reformalternativen weiter entwickeln. Dabei werden wir die Verteilungsfrage offensiver angehen und sagen dem einen Prozent der Superreichen und einer Bundeskanzlerin, deren Herz weniger für Flüchtlinge als für reiche Erben schlägt, den Kampf an!
Linke Politik ist mehr als ein Katalog von Forderungen. Das Versprechen der Rechten ist Ermächtigung: mit ihrem Generalangriff auf »etablierte Parteien« und die pauschale Zurückweisung der Medien als »Lügenpresse« wie mit ihrer Version von »Volksentscheiden«. Der Erfahrung der Machtlosigkeit, in der viele Menschen sich nur noch als Spielball »fremder Mächte« erleben, müssen wir die Erfahrung entgegensetzen, dass sich nicht durch Rassismus und Ausgrenzung, sondern nur durch den Kampf gegen neoliberale Politik die eigene Lage verbessert.

Eine »Kümmerer-Partei 2.0«
Eine Politik, die vor Ort, in den Betrieben, Stadtteilen und Familien spürbar ist, und die Hoffnung auf Veränderungen macht. Mit der Unterstützung von Streiks und Mietenprotesten, aber auch mit den vielen Initiativen zur Alltagsunterstützung »LINKE hilft« gibt es viele Ansätze zu einer solidarischen Alltagspolitik. Aber noch ist daraus keine neue politische Kultur der Partei geworden.
Wir brauchen eine »Kümmerer-Partei 2.0«. Wir sprechen noch viel zu sehr zu den Menschen statt mit ihnen, wir versprechen zu oft etwas für andere zu tun als sie zum gemeinsamen Aktiv werden und kämpfen einzuladen und zu ermutigen, sich mit uns zusammen zu organisieren. Es geht nicht darum, gewachsene linke Praxis einfach über den Haufen zu werfen. Vielmehr sollten wir Ansätze wiederbeleben und ausweiten und dabei von positiven Erfahrungen lernen – von eigenen und von befreundeten linken Parteien und Organisationen im Ausland. Im Wahlkampf in Stuttgart haben wir gute Erfahrungen mit einem »aufsuchenden Wahlkampf« in einem sozialen Brennpunkt gemacht: Im direkten Gespräch an der Haustür haben wir Menschen zu ihren Erfahrungen und Sorgen befragt, unsere Forderungen für bezahlbaren Wohnraum vorgestellt und zu einem kostenfreien Frühstück im Stadtteil eingeladen. Bereits vor den Landtagswahlen haben wir mit den Planungen für Modellprojekte zur Organisierung von Protest in sozialen Brennpunkten begonnen, die in diesem Jahr starten.
Im Kern unserer Strategie steht der Parteiaufbau an der Basis und damit auch eine neue politische Kultur und Sprache. Über diese und andere Fragen sollten wir in den nächsten Wochen und Monaten gemeinsam, solidarisch und konstruktiv diskutieren. Eine erste Gelegenheit dazu ist Aktionskonferenz unserer Kampagne »Das muss drin sein« am 15. und 16.April in Berlin. Ich lade alle Menschen, die dem Rechtsruck und der sozialen Kälte eine Politik der Hoffnung, Solidarität und wirklichen Demokratie entgegensetzen wollen, dazu ein!

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