01 Okt Jessica Tattis Gemeinderats-Rede zur Flüchtlingsunterbringung
Sehr geehrte Frau Bosch, sehr geehrte Damen und Herren,
Die LINKE LISTE hat sich bekannterweise von Beginn an gegen Gemeinschaftsunterkünfte in der Anschlussunterbringung ausgesprochen. Leider bewahrheiten sich auch die ersten Argumente dagegen.
Es gibt auch in Reutlingen ablehnende Reaktionen gegenüber Flüchtlingen, in Deutschland werden Flüchtlingsunterkünfte das Ziel von Angriffen.
Die Verantwortung zur Wohnraumbeschaffung für Geflüchtete ist groß, die Stadt bietet individuellen Wohnraum aktuell nicht im ausreichenden Maße. Das erkennen wir an, auch ohne auf den Versäumnissen der Vergangenheit herumzureiten.
Die LINKE LISTE hat ebenfalls von Beginn an deutlich gemacht, dass wir die schlechte Lösung – ausdrücklich als Übergang – dann unterstützen, wenn der Gemeinderat durch entsprechende Beschlüsse gewährleistet, dass es auch wirklich eine Notlösung ist und wir das Ziel konkret und ernsthaft verfolgen, in der Anschlussunterbringung individuelle Wohnformen umzusetzen.
Das hätte bedeutet das Thema preiswerten Wohnraum parallel anzugehen, mit dem Landkreis Verhandlungen zur späteren Übernahme der Gemeinschaftsunterkünfte für die vorläufige Unterbringung zu führen und die Sozialbetreuung zu gewährleisten.
All das ist nicht passiert und wir machen uns ernsthafte Sorgen über die unpolitische und lückenhafte Vorgehensweise des Gremiums. Wir sehen den Gemeinderat in der Pflicht strategische Planungen zu entwickeln und sich nicht nur dem Abnicken des operativen Vorgangs zu widmen. Wir alle tragen Verantwortung für die Konsequenzen unserer Entscheidungen.
Wir fragen und wollen Antworten darauf, wann die Anträge zum preiswerten Wohnraum auf die Tagesordnung gesetzt werden, die vor einem halben Jahr von verschiedenen Fraktionen eingereicht wurden.
Gibt es Gespräche mit dem Landkreis zur späteren Übernahme der Unterkünfte?
Ist es möglich zumindest die untere Etage des Behnisch-Baus als Notunterkunft für Flüchtlinge herzurichten und sie dem Landkreis zur Verfügung zu stellen?
Wann werden dem Gemeinderat die veränderten Planungen zu allen bereits beschlossenen Unterkünften vorgestellt, die Küchen und sanitäre Anlagen betreffen?
Die Unterkünfte wurden mit 7 qm pro Person beschlossen. Wenn die Verwaltung jetzt auf 4,5 qm pro Person nachverdichtet, ist das eine wichtige Frage.
Dem Asylcafé wurde versprochen, die Ypernkaserne nicht höher zu belegen. Gilt das noch?
Die Verwaltung begründet die Enge der Planungen bei den Unterkünften Ypernkaserne und ehemaliges Altenpflegeheim damit, dass in jeweils einer Ebene der Unterkünfte bereits die vorläufige Unterbringung des Landkreises einquartiert ist und die Wohnverhältnisse im Haus sich nicht zu sehr unterscheiden dürften.
Warum kann man nicht in der einen Unterkunft die vorläufige und in der anderen die Anschlussunterbringung realisieren, um zumindest in letzterer bessere Standards umzusetzen, anstatt ständig zu argumentieren, dass die schlechteste Lösung ein Sachzwang ist.
Wir lassen uns für unsere Position nicht in die Utopie-Ecke stellen, sondern fragen viel mehr die anderen Fraktionen, ob sie sich der Utopie bewusst sind mit der sie momentan ausschließlich Menschen verwalterisch in Unterkünfte verteilen, ohne sich hier mit den vielfältigen Auswirkungen auf deren Integration und ihr Recht auf gesellschaftliche Teilhabe zu beschäftigen.
Daher werden wir die Beschlussvorlage ablehnen.
Jessica Tatti
Stadträtin LINKE LISTE Reutlingen
Gemeinderat, Dienstag, 30.09.2015
Beschlussvorlage 15/035/07: Umbau und Sanierung des 1. und 2. Obergeschosses des ehemaligen Altenpflegeheims Ringelbach, Bauteil Bellinostraße, zur Anschlussunterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in der Stadt Reutlingen.
Es gilt das gesprochene Wort.
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