Klare Worte in neuen hellen Räumen bei der Linken

GEA 27.01.2018 VON ALEXANDER RABE
Neujahrsempfang – Das neue Büro der Linken in der Karlstraße 16 bot Raum für knapp hundert Gäste und viele Redner
Etwas versteckt liegt es, das neue Büro der Reutlinger Linken. Karlstraße 16 lautet die Adresse, ins Innere gelangt man über die Mauerstraße. Im ersten Stock sieht man das Ergebnis vieler Arbeitsstunden: helle, große Räume. Sie boten den idealen Rahmen für den Neujahrsempfang der Linken am Donnerstagabend, bei dem eine Frau besonders im Rampenlicht stand: die neue Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti.

Ein Hoch auf uns (von links): Linken-Landesgeschäftsführer Bernhard Strasdeit, Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel, Stadtrat Rüdiger Weckmann, Bundestagsabgeordnete Jessica Tatti, Stadrat Thomas Ziegler und der bayerische Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst stoßen auf politische Erfolge und die neuen Räume an. FOTO: Gerlinde Trinkhaus

Nach Musik vom Trio Hearts 5 begrüßte Stefan Dreher, Büro- und Bauleiter in Personalunion, die knapp hundert Gäste. Den Reden-Reigen eröffnete dann Landesgeschäftsführer Bernhard Strasdeit. »Dass Jessica Tatti es in den Bundestag geschafft hat, ist ein ganz großer Erfolg«, sagte er. Ebenso, dass die Linken im Landesverband tausend neue Mitglieder zu verzeichnen hätten. Gute Kommunalpolitik sei die Basis für die Erfolge auf Landes- und Bundesebene. Kommunalpolitik sowie die Arbeit in sozialen Bewegungen und Gewerkschaften seien die entscheidenden Standbeine der linken Arbeit.

Kritik an Auskreisungsplänen
Als »Quantensprung für unsere Linken in Reutlingen und der Region« bezeichnete Stadtrat Thomas Ziegler die neuen Büroräume, welche ganz neue Arbeitsstrukturen ermöglichten. In seinem Streifzug durch Kreis- und Stadtpolitik sparte Ziegler nicht mit Kritik. Die Auskreisungsbestrebungen Reutlingens beobachte man mit allergrößter Sorge. Die Strukturen hätten sich für Stadt und Landkreis bewährt. Im Falle der Auskreisung würde man einen nicht überlebensfähigen Rest zurücklassen. Ziegler erinnerte zudem an eine Kommission, die in Sachen Reutlinger Verkehrssituation ausgiebig und produktiv getagt habe. »Und dann: Ein Anruf der OB beim Tübinger Regierungspräsident, und alles wird, wieder Makulatur«, sagte Ziegler, der Barbara Bosch in Anlehnung an die Reihe des Tonne-Theaters als »Monospektakel« bezeichnete.

Zieglers Gemeinderatskollege Rüdiger Weckmann zeigte zunächst historische Parallelen der Linken mit der genossenschaftlichen Volksbank auf, in deren Gebäude sich das neue Büro befindet. Dann blickte er auf die Erfolge der Linken. Man habe nicht nur ein Bundestagsmandat gewonnen, sondern auch über 30 neue Mitglieder im Kreis. Nun wolle man sich in den neuen Räumen nicht einigeln. »Wir laden Gruppierungen und Initiativen Reutlingens ein, hier zu tagen.«

Der umjubelte Star des Abends, Senkrechtstarterin Jessica Tatti, freute sich über das neue Büro in der Karlstraße 16, »in dem für eine solidarische Gesellschaft und soziale Interessen gekämpft wird«.

Die Tatsache, dass SPD und Union wohl eine Große Koalition eingehen werden, bedeute vor allem eines: »Dass uns Linken die Arbeit nicht ausgehen wird.« Denn die Ergebnisse der Sondierung ließen darauf schließen, dass die wesentlichen sozialen Probleme im Land in den nächsten vier Jahren auch nicht angegangen würden. Tatti nannte hier die Altersarmut und die Ausdehnung der prekären Beschäftigung.

Auch der Wohnungsmarkt sei durch die zunehmende Verabschiedung des Staats aus der Verantwortung »wahnsinnig angespannt«. Der eklatante Mangel an bezahlbaren Wohnungen führe dazu, dass die Preise noch mehr in die Höhe getrieben werden, was Wohnungsnöte bis weit in die Gesellschaft verursache.

»Die wirtschaftliche Situation in Baden-Württemberg ist hervorragend.« Aber: Die augenscheinlich positive Arbeitsmarktbilanz verdecke, dass es zu einer massiven Zunahme von prekären Beschäftigungsverhältnissen durch Leih- und Zeitarbeit gekommen sei. »Es ist an der Zeit, dass die Beschäftigten wieder angemessen von der gut laufenden Wirtschaft profitieren«, so Tatti. Dafür werde die Linke kämpfen, schließlich müsse die gut laufende Wirtschaft ihren Anteil zum Gemeinwohl beitragen.

Zudem bekundete Tatti die ungebrochene Solidarität mit den Flüchtlingen und pocht auf »eine ehrliche Bekämpfung von Fluchtursachen, womit wir in den Herkunftsländern wieder echte Perspektiven für die Menschen schaffen wollen.« Dazu gehöre, dass Deutschland mehr für die Entwicklungshilfe ausgeben müsse.

Komplimente und Kunst
»Die meint, was sie sagt«, begann der bayerische Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst seine Rede mit einem Kompliment an Jessica Tatti, die sich durch ihre Hartnäckigkeit einen Platz im Ausschuss für Arbeit und Soziales erkämpft habe.

In Sachen prekäre Beschäftigungsverhältnisse konzentrierte sich Ernst auf die Leiharbeit. An einem Leiharbeitnehmer wollten zwei Unternehmer verdienen. »Da ist doch klar, dass der dann weniger kriegt.« Und weil das so nicht funktioniere, fordere man die Abschaffung der Leiharbeit. Beim Thema sachgrundlose Befristung bekam die SPD mit ihrem »Wunder von Würselen« ihr Fett weg. Noch vor der Wahl, vor etwa einem Jahr, habe Martin Schulz die Abschaffung jener Befristung gefordert. Dann habe man von dieser Forderung nichts mehr gehört. Die Linke habe im Bundestag in der letzten Legislatur dann einen entsprechenden Antrag eingebracht. »Wer hat dagegen gestimmt? Die Sozialdemokraten.«

Angesichts des Gesinnungswandels der SPD, erst nicht regieren zu wollen, jetzt aber plötzlich doch, ist Ernst ein Satz eingefallen: »Wenn man sich dreht und wendet, wird man von denen nicht mehr erkannt, wo man herkommt, und von denen nicht akzeptiert, wo man hinwill.« Als Linke habe man ein Problem: »Dass uns ein möglicher Koalitionspartner atomisiert wird.«

Bevor Jessica Tatti das Büffet eröffnen konnte, hatte SPD-Stadtrat Ulrich Lukaszewitz noch eine Überraschung parat. Der passionierte Künstler hatte ein Wahlplakat Tattis mitgebracht, dass er kreativ umgestaltet hatte. Es soll das neue Büro verschönern – weiße Wände gibt es noch genug. (GEA)

Bericht in den Reutlinger Nachrichten >>>

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