„MIT ENGELSZUNGEN“

Schwäbisches Tagblatt vom 16.05.2012
Kommentar von Thomas De Marco

So langsam kann die Linke „auferstanden aus Ruinen“ singen. Aber nicht weil die Partei derzeit in irgendeiner Form aufersteht oder gar einer (positiven) Zukunft zugewandt scheint. Nein, die DDR-Hymne liegt deshalb so nahe, weil sich die Linke derzeit wieder in Richtung reiner Ostpartei mit Westkontakt entwickelt: Nach dem zweistelligen Lafontaine-Zwischenhoch im Saarland die 2,2 Prozent bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein, jetzt 2,5 von Hundert in Nordrhein-Westfalen – die Linke verabschiedet sich wieder aus den Landtagen westdeutscher Bundesländer. In Baden-Württemberg war sie 2011 mit 2,8 Prozent gar nicht reingekommen.

Entsprechend ratlos ist auch Rüdiger Weckmann vom Vorstand der Reutlinger Linken. „Ich begreife nicht, warum wir in Nordrhein-Westfalen so verloren haben“, sinniert er und listet auf, mit welchen Themen seine Partei die SPD an Rhein und Ruhr vor sich hergetrieben habe: Abschaffung der Studiengebühren, 200 zusätzliche Steuerfahnder oder das Gesetzt zur Abwahl der Bürgermeister. Aber irgendwie sei das einfach schlecht kommuniziert worden.

Dazu kommen, dass Forderungen der Linken wie Mindestlohn und Afghanistan-Abzug von anderen Parteien aufgenommen worden und längst keine Alleinstellungsmerkmal mehr für seine Partei seien. Was Weckmann aber am meisten umtreibt: „Es ist offensichtlich, dass die Piraten die Linke als Protestpartei abgelöst haben.“ Das kann er nun gar nicht nachvollziehen, da er die Freibeuter als weitgehend meinungsfrei erlebt. Wie kann es aber sein, dass die Linke immer wieder davon träumt, dass angesichts von Leiharbeiterelend und anderer prekärer Arbeitsverhältnisse Massen auf die Straße gehen – und statt dessen die Partei immer alleine dasteht und in den westlichen Bundesländern zur Splitterpartei degradiert wird? „An uns liegt es nicht, die Probleme wie Finanzspekulationen, Umverteilung wegen Bankenrettungen und Verarmung der Haushalte gibt es – und es wird sich noch zuspitzen“, sagt Weckmann. „Die Themen, die wir setzen sind in Ordnung.“ Nur die Leute, die unter den Problemen leiden, seien größtenteils „isoliert, atomisiert und resigniert“ – mithin unfähig sich zu wehren.

Seiner Partei helfe nur ein Personalwechsel an der Spitze beim Bundesparteitag Anfang Juni in Göttingen. „Unsere Themen können besser von Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht oder Gregor Gysi transportiert werden“, fordert der Reutlinger Linke – und legt sich auf den im Osten umstrittenen Lafontaine fest. Weckmann selbst ist in Göttingen nicht dabei. Er nimmt statt dessen Anschauungsunterricht im Osten: Zusammen mit dem Kabarettisten und aktiven Stuttgart 21-Gegner Peter Grohmann macht er eine Kulturreise nach Dresden.

Als Ausdruck der eigenen Resignation will er das aber nicht gewertet wissen. „Ich war einfach nicht scharf darauf, als Delegierter nominiert zu werden“, sagt Weckmann. Und sucht dann in seiner Verzweiflung Trost bei einer Partei, an der sich die Linken normalerweise zuletzt orientieren: „Die FDP hat gezeigt, wie schnell sich auch alles wieder ändern kann!“
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Kommentar zum Kommentar:
Dass nur ein Personalwechsel an der Spitze meiner Partei helfen könne, habe ich in dem Telefoninterview mit Thomas De Marco so nicht gesagt. Was der LINKEN hilft, müssen wir in den nächsten Wochen und Monaten gemeinsam diskutieren. Auch in Reutlingen werden wir das tun.
Da gibt es bereits viele Vorschläge, beispielsweise wie wir uns besser an der Basis verankern oder wie wir unsere Vorstellung einer neuen sozialen Idee stärker öffentlich machen können.
Rüdiger Weckmann

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