Soziale Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellen

Der Bundesvorsitzende der Linken Bernd Riexinger plädierte für mehr Umverteilung und eine Verbesserung der Daseinsfürsorge.

12.05.2017 von Michael Frammelsberger, Schwäbisches Tagblatt
 

Foto: Haas, (von links Bernd Riexinger, Jessica Tatti, Wolfgang Kohla)

Reutlingen sei ein gutes Pflaster für den Wahlkampfauftakt, befand Linke-Bundesvorsitzender Bernd Riexinger am Mittwochabend vor rund 30 Zuhörern in der Kaiserhalle. Auch vor der letzten Bundestagswahl sprach er hier, anschließend wurden die Linken drittstärkste Kraft im Land – ein Ergebnis, dass Riexinger gerne wiederholen würde.

„Für soziale Gerechtigkeit sind wir Linken Experten“, betont Riexinger. Um diese Gerechtigkeit zu verbessern, hat seine Partei viele Forderungen: So will die Linke einen Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde – von den aktuellen 8,84 könne niemand leben. Deutschland sei bei der Minimalbezahlung europaweit im unteren Drittel, selbst in Nordirland würden „Lohnabhängige“ mehr verdienen, kritisiert der Bundesvorsitzende. „Wir sollten nicht Export-Weltmeister, sondern bei den Löhnen führend sein!“

Seit 1995 sei das volkswirtschaftliche Einkommen um 30 Prozent gestiegen, sagt der Linken-Chef. Bei den Löhnen habe es aber nur ein Plus von 8 Prozent gegeben, bei den Niedrigverdienern sei die Bezahlung sogar um 10 Prozent gesunken. „Die Folge sind prekäre Arbeitsverhältnisse“, so Riexinger. Leiharbeit sei moderne Sklaverei, Werkverträge dienten nur dem Lohndumping und der Tarifflucht. „Es muss wieder normal sein, dass die Menschen sozialversicherungspflichtig und tariflich beschäftigt sind“, betont Riexinger.

In Deutschland gebe es strukturelle Unter- und Überbeschäftigung, sagt der Gewerkschaftssekretär. Deshalb fordert die Linke eine durchschnittliche Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche, „so das alle davon leben können“. Außerdem müsse eine drastische Änderung in der Rentenpolitik her. „Im Jahr 2030 werden die Hälfte der Rentner nur 800 Euro bekommen“, so Riexinger. Es lohne sich ein Blick nach Österreich, dort sei die Rente durchschnittlich um 800 Euro höher. „Der kriminelle Schmu der Riester-Rente muss weg und dafür eine paritätische Finanzierung wiederhergestellt werden“, fordert der Linken-Chef. In diese sollen alle Arbeitnehmer einzahlen, außerdem fordert die Partei eine Mindestrente von 1050 Euro. Ähnliche Vorschläge haben die Linken für die Krankenkassen.

„Wir haben eine große Misere im öffentlichen Bereich“, sagt Riexinger. Im Gesundheits- und Pflegesystem sowie dem Bildungswesen fehlten hunderttausende Arbeitskräfte, es herrschten katastrophale Zustände. „Hier müssen wir deutlich mehr Geld in die Hand nehmen“, fordert Riexinger.

Um all diese Programme finanzieren zu könne, will die Linke eine Vermögenssteuer einführen. „Wir müssen den Mut haben, den Reichen in die Taschen zu greifen“, sagt Riexinger. Nur so könne man dem „finanzgetriebenen Kapitalismus“ entgegentreten. Die Linke habe als einzige Partei ein realistisches Wirtschaftskonzept, mit dem eine gerechtere Gesellschaft finanzieren werden könne.

Die Politik der Linken stehe auf zwei Beinen, sagt Riexinger. Neben den sozialen Forderungen sei auch die Friedenspolitik ein wichtiges Standbein – und Frieden sei nur durch Abrüstung möglich. Außerdem dürfe die Bundeswehr nicht im Ausland eingesetzt werden. Dies sei bei möglichen Koalitionen nicht verhandelbar. „Der Zug muss in eine grundsätzlich andere Richtung gehen und nicht nur der Zugführer ausgewechselt werden.“

 

Tatti mit aussichtsreichen Chancen auf Mandat

Die Reutlinger Gemeinderätin Jessica Tatti tritt im hiesigen Wahlkreis als Direktkandidatin der Linken an – und sie steht auf Platz 5 der Landesliste. Damit hat sie gute Chancen auf einen Einzug in den Bundestag, aktuell verteten genau fünf Linke aus dem Ländle die Interessen der Wähler in Berlin. „Es ist gut, dass wir von einer jungen, taffen Frau vertreten werden“, sagte Kreisvorstand Günter Herbig mit Blick auf den Alterdurchschnitt beim Wahlkampfauftakt am Mittwoch in der Kaiserhalle.

Tatti kündigte an, dass die Linke im Wahlkampf auf die Menschen zugehen werde, um sie von ihren Forderungen zu überzeugen. „Wir sind die politische Kraft für soziale Gerechtigkeit“, betont Tatti. Alle Menschen müssten von ihrer Arbeit leben können, Alters- und Kinderarmut müsse bekämpft werden. Außerdem dürfe Deutschland nicht wie bisher die anderen Länder in der EU wirtschaftlich in die Ecke drängen. Eine Vermögenssteuer sei zur Lösung der Probleme im Land notwendig.

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