Thomas Ziegler im Kreistag: Vergabe Management Kreiskliniken

Seine Rede am 16. März in der Kreistags-Sitzung (Corona-Virus-bedingt im Freien)

Sehr geehrter Herr Landrat, werte Kreisrätinnen und Kreisräte, meine Damen und Herren,

„Preisend mit viel schönen Reden (…)“ – mit diesem Zitat Ludwig Uhlands aus unserer Landeshymne über das Werben der übrigen ebenso mächtigen wie wohlhabenden Landesfürsten gegenüber unserem damaligen demgegenüber geradezu armseligen württembergischen Landesherrn darf ebenfalls das heute bislang Vorgetragene zum zukünftigen Management unserer Kreiskliniken charakterisiert werden.

Über die von der hübschen Werberin und Bewerberin RKH Holding GmbH ausgiebig ausgebreiteten Zukunftsvisionen sowie ihre dazu angebotene Mitgift ist hier bereits umfänglich referiert worden, gleichfalls getragen von der wenig verhohlenen Begeisterung einer Mehrzahl der Kreistagsfraktionen dazu.

Es wird daher wieder einmal uns, der Fraktion DIE LINKE im Reutlinger Kreistag vorbehalten bleiben, aus dem süßen Kelch auf die darin tatsächlich enthaltenen äußerst bitteren Ingredienzien aufmerksam zu machen samt ihren nachhaltig gefährlichen Aus-, Neben- und insbesondere Nachwirkungen.

Der RKH darf dabei zu Gute gehalten werden, über ihre Vorstellungen zur künftigen Führung sowie insbesondere Struktur unserer Kreiskliniken recht deutliche und teilweise durchaus tiefgreifende Strategien vorgelegt zu haben. Diese ergeben sich aber so gut wie überhaupt nicht aus den uns Kreisräten zu diesem Thema vorgelegten Beschluss-Drucksachen einerseits für den Verwaltungsausschuss vergangenen Montag, ebenso für unsere heutige Plenumssitzung. Jene Drucksachen verfügen zwar über eine hinreichende Dicke, erschöpfen sich sonst jedoch im Wesentlichen in einer eher historischen Aufarbeitung des bislang Werdegangs der Bemühungen. Das uns demgegenüber tatsächlich Bevorstehende bleibt dagegen auffällig im Hintergrund.

Wirklichen näheren Aufschluss über das zu Erwartende gibt jedoch ein Vorstellungs- und Strategiepapier unserer Bewerberin unter Datum 19.11.2019, das – dort harmlos als „Angebot“ bezeichnet – verbindlicher Bestandteil jenes Managementvertrages zu werden droht, über dessen Abschluss wir heute entscheiden Und behaupte daher niemand von uns, er hätte nicht wissen können, was mit Abschluss dieses Managementvertrages im Einzelnen auf uns zukommt!

Beginnen wir mit den geplanten künftigen Strukturen unserer drei Häuser.

Unsere Ermstal-Klinik in Bad Urach:

Im Gegensatz zu unserem Haus in Münsingen, das seine bisherige Bezeichnung „Klinikum“ behalten darf, soll Bad Urach künftig zu einem „Gesundheitscampus“ umgestaltet werden. Der Begriff „Campus“ klingt zwar so recht nach Universität – tatsächlich aber wird unsere Bad Uracher Klinik regelrecht ausgebeint werden:

Die dortige Neurologische Reha-Phase B wird nach Reutlingen abgezogen; das gleiche Schicksal teilen die Pulmologie einschließlich Thoraxchirurgie „Lungenzentrum“.

Die Orthopädie wiederum soll künftig Münsingen zugeschlagen werden.

Außerdem wird die Bad Uracher Altenpflege/Geriatrische Reha/Geriatrie zukünftig explizit „angebunden an das Klinikum Reutlingen“.

Damit verbleiben in Bad Urach lediglich noch ein Facharztzentrum mit ambulantem Operieren samt Notfallpraxis sowie eine -zugegebenermaßen künftig auszuweitende – Kurzzeitpflege –

im Grunde genommen somit ein Medizinisches Versorgungszentrum – siehe Hohenstein – mit angeschlossener Kurzzeitpflege.

Dass die Albklinik Münsingen demgegenüber eine leichte Aufwertung für spezielle Fachbereiche erfährt – Orthopädie, Thoraxchirurgie, Schmerztherapie, Gastroenterologie – , wurde bereits eingehend gewürdigt. Endgültig verlieren wird Münsingen dagegen aber die Geburtshilfe sowie seinen bisherigen Status als Akutkrankenhaus.

Außerdem wird für die dortige Notfallversorgung explizit angesprochen künftig „Kooperation mit Alb-Donau-Kreis“.

Zu den Versorgungsstrukturen unserer Kreiskliniken sehen wir mit hoher Sorge insbesondere mehrere durch die RKH angedachte Ausgliederungen in künftig außerhalb des Landkreises angesiedelte Servicegesellschaften. In ihrem Strategiepapier dazu explizit angesprochen werden

  • der Abzug der Einkäufe in den zentralisierten Einkaufsverbund einer namentlich benannten Lieferantin; gleiches gilt wohl für die Apotheke;
  • Fremdvergabe im sogenannten Tertiärbereich wie u. a. Reinigung;
  • der Bereich Wäscherei wird charakterisiert mit Begriffen wie „Potentialrealisierung“, „Teilbetriebsschließung“ sowie „Zusammenlegung mit Ludwigsburg“;
  • Einkäufe der Lebensmittel künftig durch die Einkaufsplattform einer Einkaufsgemeinschaft der RKH,
  • und selbst der Bezug von Energieversorgungsleistungen über eine der RKH verbundene Energieversorgungsgesellschaft Klinikum Ludwigsburg EKL GmbH.

Die RKH GmbH bekräftig zwar, auch künftig die Klinikmitarbeiter nach TVöD vergüten zu wollen und plant für unsere Kliniken die Mitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband beibehalten zu wollen;

für die Mitarbeiter in den Servicegesellschaften jedoch wird die RKH nur einen Haustarif und somit ohne Zusatzversorgung ZVK anbieten, lediglich unterfüttert über „einen Zuschuss“ für „eine zusätzliche betriebliche Altersversorgung“.

Überwölbend abgerundet wird diese Personal-Strategie schließlich durch die Vorgabe der RKH, die Personalquote – also den Personalkostenanteil an den Ausgaben unserer Kreiskliniken – abzusenken von derzeit 73 % auf in Zukunft 60 bis 62 %.

In dieses Bild passt schließlich, dass zu prüfen sein soll selbst die „Besetzung der Notarztstandorte“ künftig „in Kooperation“ mit einem namentlich bereits benannten Drittanbieter.

Spätestens an dieser Stelle sind die höheren Orts Verantwortlichen für die grundsätzlichen derartigen Weichenstellungen in unserem Gesundheitssystem der vergangenen zwanzig Jahre klar zu benennen:

Mit der Einführung der Fallpauschalen – Fachbegriff DRGs; wobei der Ausdruck „Fallpauschalen“ dabei durchaus zutreffend kennzeichnet die Rolle des Patienten nur noch als „Fall“ – ist unser Gesundheitssystem ausgesetzt worden in überwiegendem Maße allein marktwirtschaftlichen Vorgaben.

Vorbildern des US-amerikanischen und des britischen Gesundheitswesens sowie des dortigen Raubtierkapitalismus folgend werden ärztliche Leistungen lediglich noch nach strikt vorgegebenen Pauschalen vergütet.

Medizinische Versorgung soll und kann dann eben nicht mehr erbracht werden nach den individuell für den einzelnen Patienten erhobenen Diagnosen und spezifisch für ihn persönlich erforderlichen Behandlungen und anschließender Pflege.

Diese Kapitalisierung unseres Gesundheitswesens führte selbstverständlich zu den daraus im Wirtschaftsleben bekannten Erscheinungsformen –

wie das Aufmischen des Gesundheitsmarktes durch angeblich preiswerte private Drittanbieter, der Durchdringung dieses Marktes durch inzwischen regelrechte Krankenhauskonzerne wie etwa Helios, Asklepios, SANA u. a.

Diese Privaten picken sich natürlich einerseits die lukrativen „Rosinen“ vom Markt, um andererseits angeblich unrentable kleine Häuser schlicht abzuwickeln.

Ebenso stehen hoch profitablen fachärztlichen Behandlungen und Leistungen gegenüber angeblich unrentable – wenngleich natürlich fachlich notwendige – Leistungen;

wie in der freien Wirtschaft wird bei erwünschter, aber mangelnder Nachfrage sogar nicht selten zurückgeschreckt davor, künstlichen Bedarf zu wecken an fachlich dagegen wenig sinnvollen ärztlichen Behandlungen und Medikamenten.

Die Gesundheit der Menschen gehört zum Bereich ihrer Grundversorgung. Die Gesundheitsvor- und fürsorge dem freien Spiel einer Marktwirtschaft zu überlassen, war, ist und bleibt verantwortungslos.

Was uns am meisten Sorge bereitet:

Die RKH kündigt an – aus ihrer Sicht völlig konsequent – , zahlreiche technische sowie medizinische Fachbereiche künftig einzubauen, zu integrieren in ihre bereits vorhandenen und erprobten eigenen Kompetenzzentren und Fachgremien.

Selbstverständlich werden wesentliche IT-, Datenerhebungs- und Datenverarbeitungsaufgaben an zukünftig zentralisierte Steuerungen ausgelagert, Gleiches gilt für fachmedizinische Sparten wie bspw. etwa die Endoprothetik.

Es darf unbestritten bleiben, dass diese künftige Zusammenfassung geballter Kompetenz unseren Häusern durchaus zu Gute kommen würde;

wie aber sieht es mit den Konsequenzen dieser bis dahin wohl eng vollzogenen Verflechtungen aus hin zum Ablauf der mit uns vorgesehenen Vertragslaufzeit von drei, vier oder fünf Jahren?

Diese unsere Reutlinger Verflechtungen in tief verstrickte Netzwerke hinein werden sich dann keinesfalls mehr einfach auflösen lassen –

ohne ansonsten gewaltige Ausfälle zu reißen in elementare Behandlungs- und Verwaltungsstrukturen unserer Häuser.

Eben diese Abhängigkeiten aufzubauen dürfte auch und gerade das erkennbar heftige Interesse der RKH – die ja ansonsten nur Mehrheitsbeteiligungen an Kliniken zu übernehmen pflegt – getragen haben an einen vorgeblich lediglich „Einstieg“ in das Management unser Reutlinger Häuser.

Man kann uns entgegenhalten, dass der grundsätzliche politische Beschluss des Kreistags, das Management künftig Dritten anzuvertrauen, durch dessen Mehrheit bereits im April vergangenen Jahres gefasst worden ist. Aber schon zu dieser Entscheidung des Kreistags sind durch die Fraktion DIE LINKE bis ins Einzelne gegliederte detaillierte, umfangreiche Gegenvorstellungen eingebracht worden für die Beibehaltung unserer Häuser auch künftig in eigener Regie.

Die vor einem Jahr durch den Kreistag mehrheitlich getroffene Entscheidung ist daher gegen unseren engagierten, um nicht zu sagen: erbitterten Widerstand gefallen.

Verbleibt die – wie gleich zu bemerken – nahezu ins Philosophische reichende Fragestellung:

sollen wir der – unter den in Frage kommenden Angeboten wohl immer noch glimpflichsten – Bewerbung der RKH GmbH allein deshalb unser Einverständnis erteilen?

Unsere Antwort: Es gibt kein Gutes im Bösen!

Die Übergabe unseres Managements an Private – zumal an so ausgebuffte Profis wie jene der RKH GmbH – bedeutet definitiv den unumkehrbaren Einstieg in den Ausstieg der Verantwortung des Landkreises für seine Kreiskliniken. Zu einem derartigen Vorgehen kann und darf eine Fraktion DIE LINKE im Reutlinger Kreistag ihre Zustimmung keinesfalls erteilen. Wir bleiben dagegen die aufmerksam kritische politische Kraft an der Seite sowohl der treuen Patienten als auch der verdienstvollen Mitarbeiter unserer Kreiskliniken.

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