
20 März „Vision Zero“ für Reutlingen
Die Zahl der Verkehrstoten und Schwerverletzten im Straßenverkehr ist zum Glück im Vergleich zu früher deutlich zurück gegangen.
Aber immer noch sterben fast 3000 Menschen, zweidrittel davon Fußgängerinnen und Fußgänger. Im Bereich des Polizeipräsidiums Reutlingen (Reutlingen, Tübingen, Zollernalb) waren es 40 Menschen, deren Tod als Kollateralschaden einer Verkehrspolitik ohne öffentlichem Aufschrei hingenommen wird. In Deutschland sind von 2004 bis heute sind insgesamt knapp 75.000 Menschen Straßenverkehr ums Leben gekommen. Mehr Menschen als in der Reutlinger Kernstadt leben. Im gleichen Zeitraum wurden 7,8 Millionen Menschen im Verkehr verletzt, das sind fast zehn Prozent der deutschen Bevölkerung. Mit der „Vision-Zero“-Strategie strebt die EU-Kommission an, die Zahl der Verkehrstoten in Europa bis zum Jahr 2050 auf Null zu reduzieren.
Eine wesentliche und wirksame Maßnahme dieses Ziel zu erreichen, ist die Verlangsamung des PKW-Verkehrs.
„In Helsinki wurde Tempo 30 im Jahr 2018 als Teil der ‚Vision Zero‘-Strategie beschlossen und mit Beginn des Jahres 2019 im Stadtgebiet eingeführt. Im Jahr 2019 wurde dort erstmals keine zu Fuß gehende oder radfahrende Person bei einem Verkehrsunfall getötet.“
Der schwedische Verkehrspolitiker Tingvall sagte sinngemäß: Die Gesellschaft sollte sicherstellen, dass normale Menschen, die normale Fehler machen, nicht in die Situation kommen, dass sie sich selbst oder jemand anderen töten. Ein Bremsweg von 28 Metern bei Tempo 50 halten wir für innerorts, für nicht zu verantworten. Bei Tempo 30 beträgt der Bremsweg nur etwa 14 Meter, die Geräuschentwicklung und der Schadstoffausstoß sind ebenfalls deutlich reduziert. Während die Überlebenswahrscheinlichkeit eines ungeschützten Verkehrsteilnehmers bei einem Aufprall mit 50 km/h nur etwa 20 Prozent beträgt, steigt sie bei Tempo 30 auf ca. 90 Prozent. In den spanischen Städten und Gemeinden wurde 2021 flächendeckend Tempo 30 eingeführt, ebenso in vielen europäischen Großstädten wie Paris, Amsterdam, Brüssel und in allen skandinavischen Hauptstädten. In letzteren gab es seither keine tödlichen Verkehrsunfälle. Erfreulich ist der hohe Anteil von Tempo 30-Zonen im gesamten Reutlinger Straßennetz. Da liegen wir bundesweit hinter Berlin mit 58% an zweiter Stelle.
Eine Studie des Bundesumweltamtes kommt zu dem Ergebnis, dass eine Senkung der Höchstgeschwindigkeit in den meisten Fällen keinen nennenswerten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit einer Hauptverkehrsstraße für den Kfz-Verkehr hat. Damit ist das Argument der Stadtverwaltung widerlegt, die bei einer Temporeduzierung der Hauptstraßen, eine Verkehrsverlagerung in die Wohngebiete befürchtet. Als weiteres Gegenargument werden Kosten genannt. Angeblich würde die Umstellung der Ampelphasen wegen der Temporeduzierung auf der Karl-/Eberhard-/Lederstraße ein Jahr brauchen und 200.000.- bis 250.000.- € kosten. Wir stellen das in Frage. Reutlingen muss man nicht mögen, aber lieben, wenn es gelingt, mit dem bundesweit höchsten Anteil an Tempo 30-Zonen, die Stadt sicherer, ruhiger und damit lebenswerter zu machen.

Noch mehr Ausweichverkehr in die Oststadt geht nicht.
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