Von wegen gleiche Arbeit, gleicher Lohn

Kommentar von Uschi Kurz, Schwäbisches Tagblatt, 18.03.2016

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Jessica Tatti

Die Landtagskandidatin der Linken, Jessica Tatti, hat in ihrem Wahlkampf immer wieder auf die ungleiche Entlohnung von Frauen und Männern hingewiesen und ist dabei auf ungläubiges Stauen gestoßen. Und wenn Gewerkschaftsvertreterinnen am heutigen bundesweiten Aktionstag – in Reutlingen mit einem Stand an der Nikolaikirche – über dieses Thema informieren, wird es ihnen wohl nicht anders ergehen. Dennoch ist es bittere Wahrheit: Frauen in Deutschland verdienen auch im Jahr 2016 im Durchschnitt noch immer über 20 Prozent weniger als ihre Kollegen.
Wohl gemerkt, dabei handelt es sich keineswegs um einen Wert, der durch Teilzeitbeschäftigungen nach unten gedrückt wird, sondern um gleiche Arbeit, auch gleiche Arbeitszeit, aber viel weniger Geld. Bei der „Entgeltgleichheit“ gehört Deutschland zu den Schlusslichtern Europas, das hat die Hans Böckler Stiftung in ihren Umfragen ermittelt. In einzelnen Berufsgruppen beträgt der Verdienstabstand zwischen Männern und Frauen sogar bis zu 31 Prozent. Europaweit beträgt dies Differenz 16 Prozent.

Der absolut größte Rückstand in Deutschland besteht bei den Versicherungskaufleuten: Frauen haben ein monatliches Bruttogehalt von 3012 Euro, Männer hingegen bekommen mit durchschnittlich 4160 Euro im Monat 1148 Euro mehr. Damit verdienen Versicherungskauffrauen im Schnitt 28 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Selbst bei tarifgebundenen Unternehmen, sind die Frauen vor der schlechteren Bezahlung nicht gefeit. Dann, erklärte Verdi-Gewerkschaftssekretär Jan Bleckert auf Nachfrage des TAGBLATTs, gebe es für Männer eben Übertarif oder aber sie erhalten Zulagen, die den Frauen vorenthalten werden.

Auf diese Ungerechtigkeit weisen Frauenverbände am sogenannten Equal Pay Day hin. Entstanden ist dieser Tag für gleiche Bezahlung in den USA. Die amerikanischen Business and Professional Women (BPW) schufen 1988 mit der Red Purse Campaign ein Sinnbild für die roten Zahlen in den Geldbörsen der Frauen. 2009 wurde der Equal Pay Day auch in Deutschland eingeführt. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts verdienten Frauen im Jahr 2014 durchschnittlich 21,6 Prozent weniger als Männer. Rechnet man den Prozentwert in Tage um, arbeiten Frauen 79 Tage, also vom 1. Januar bis zum 19. März 2016, umsonst. Erst ab morgen schreiben sie quasi wieder schwarze zahlen.

Das Schwerpunktthema am heutigen Aktionstages lautet übrigens „Berufe mit Zukunft“. Unter dem Motto „Was ist meine Arbeit wert? Vielleicht sollten sich junge Frauen in Richtung IT-Branche orientieren, dort ist ihr Arbeit in manchen Bereichen sogar mehr wert. Die Softwareingenieurin, auch das hat die Hans Böckler Stiftung in ihrer Umfrage ausfindig gemacht, trägt in der Regel zwei Prozent mehr Geld nach Hause und eine Informatikerin sogar fünf Prozent mehr als ihr männlicher Kollege.

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