Vulkan Europa kurz vor dem Ausbruch

Bericht Südwestpresse 17.12.2011

Reutlingen. Michael Schlecht, Chefökonom der Bundestagsfraktion „Die Linke“, analysierte jüngst im Haus der Jugend die Ursachen der aktuellen Finanzkrise.

Europa sei wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stände, sagte Schlecht bei seinem Besuch bei den Reutlinger Linken. Griechenland sei noch ein wenig bedrohlicher Lavastrom. Bei einem Refinanzierungsbedarf von einer Billion in den nächsten drei Jahren könnte Italien und Spanien den Berg zum Explodieren bringen. Sollte der Euro nicht mehr zu halten sein, müsse man mit der dann fälligen Aufwertung einer neuen deutschen Währung um ungefähr 40 Prozent rechnen, was dramatische Folgen für das stark exportabhängige Baden-Württemberg hätte.

Kanzlerin Angela Merkel zwinge den verschuldeten Staaten eine krisenverschärfende Sparpolitik auf und blockiere diesen Ländern den Zugang zu zinsgünstigen Krediten. In Griechenland sei diese Politik bereits gescheitert, sagte Schlecht. Bei einer Rezession von minus zehn Prozent in den letzten zwei Jahren wachse deren Zahlungsunfähigkeit.

Als Hauptursache der gegenwärtigen Krise benannte Schlecht die Exportüberschüsse der deutschen Ökonomie. In den 90er Jahren waren das 90 Milliarden und in dem Jahrzehnt nach 2000 die unglaubliche Summe von
1,2 Billionen. Diese Billionen sind Verbindlichkeiten anderer Länder an Deutschland, die diese auf Dauer nicht mehr bezahlen können. Den Exportvorteil habe Deutschland durch ein Lohn- und Unternehmenssteuerdumping erreicht. Die Reallöhne sanken um 4,5 Prozent, während sie im EU-Durchschnitt um zehn Prozent stiegen. Wäre der Lohn im europäischen Durchschnitt gestiegen, hätten die Beschäftigten eine Billion mehr verdient. Das Geld wäre im Land geblieben, die europäischen Länder ständen nicht so hoch in der Kreide.

Stefan Straub verwies in der Diskussion auf die weiteren Krisenursachen.
Unter anderem nannte er die ungleiche Verteilung der Vermögen, die zu einem unglaublichen Anwachsen des spekulativen Kapitals geführt habe.
Während Rüdiger Weckmann in der „Occupy-Bewegung“ einen Hoffnungsschimmer sieht, äußerte sich Schlecht dazu eher skeptisch. Bei aller Solidarität mit deren Anliegen glaube er nicht, dass eine Bewegung erfolgreich sein könne, die nicht die Interessen betroffener Gruppen, wie die der prekär Beschäftigten, aufgreife. Petra Braun-Seitz sieht in der Bewegung gegen S 21 ein Protestpotenzial, das sich auch diesen Themen zuwenden könnte.

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