Zwei sind eine(r) zu wenig

Demokratie – Neufassung der Geschäftsordnung des Gemeinderats birgt Chancen, findet die Linke Liste
VON ANDREA GLITZ – GEA 15.07.2016

REUTLINGEN. Zwei sind eine(r) zu wenig. Zumindest in der Reutlinger Kommunalpolitik. Jessica Tatti und Thomas Ziegler bilden die »Linke Liste«. Weil sie weniger als drei sind, ist ihnen der Fraktionsstatus verwehrt. Das ist in der Geschäftsordnung des Gemeinderats so festgelegt.

Die beiden Einzelstadträte der Linken Liste, Jessica Tatti und Thomas Ziegler, würden gerne eine Fraktion werden. GEA-FOTO: IGL

Die beiden Einzelstadträte der Linken Liste, Jessica Tatti und Thomas Ziegler, würden gerne eine Fraktion werden. GEA-FOTO: IGL

Nun soll auch in Reutlingen die noch von der grün-roten Landesregierung beschlossene novellierte Gemeindeordnung (der GEA berichtete) umgesetzt werden. Dies bedarf der Änderung der Geschäftsordnung des Gemeinderats. Eine Gelegenheit für Tatti und Ziegler, ihren Status zu verbessern und der, wie sie finden, »kleinlichen Herangehensweise für ein demokratisches Gremium« ein Ende zu bereiten? Ein entsprechender Antrag ist gestellt, wie die beiden in einer Pressekonferenz darlegten. Kommende Woche soll der Gemeinderat die neue Geschäftsordnung beschließen. In den Vorberatungen habe sich allerdings keine Mehrheit ergeben für das Ansinnen.

Im Kreistag bilden zwei Linke-Räte wenigstens eine »Gruppierung«. Im Gemeinderat laufen sie jeweils unter »Einzelstadtrat«. Ein Status, der intern im Rathausalltag zu »Turbulenzen« führe. Weit misslicher: Bürger wenden sich üblicherweise an »Fraktionen«. Auf der städtischen Website war die Linke Liste bis vor Kurzem unter diesem Stichwort aber nicht zu finden. »Vieles geht an uns vorbei.« Die beiden fallen durch so manchen Rost, sind auf guten Willen und Sonderregelungen angewiesen.

Die novellierte Gemeindeordnung, so der Wille ihrer Väter, soll mehr direkte Demokratie, mehr Transparenz, mehr Einfluss der Gemeinderäte in die Rathäuser in Baden-Württemberg tragen. Stärkung der kleineren Fraktionen, etwa durch die Senkung von Quoren, ist ebenso Zielrichtung.

In der Gemeinderatsdebatte kommende Woche wird sich zeigen, wieviel vom Geist der Erneuerung in Reutlingen angekommen ist. Spannend wird auch die Frage sein, wie der Rat mit der Frage nach der Öffentlichkeit der Vorberatungen umgeht. Die Linken-Räte haben dazu ebenfalls einen Antrag gestellt. So sollen die beschließenden Ausschüsse in der Regel öffentlich abgehalten werden. Auf Antrag (mindestens) einer Fraktion kann einer Sitzung allerdings eine nicht-öffentliche Vorberatung zusätzlich vorgeschoben werden.

Da sie so schön im Schwung sind, haben die Linken über die Geschäftsordnung hinaus weiter ausgeholt mit einem Antrag »Stärkung Bürgernähe, Transparenz und kommunale Demokratie: Heraus aus den geheimen Aufsichtsräten – die strategische Ausrichtung städtischer Unternehmen gehört in den Gemeinderat«. Dieser Antrag zielt auf die städtischen Tochterunternehmen und die Einflussmöglichkeiten der Gemeinderäte darauf. Stadtwerke, GWG und Co. sichern die kommunale Daseinsvorsorge vom Wohnungsbau bis hin zur Energieversorgung. »Lauter politische Handlungsfelder«, wie Tatti präzisiert.

Dass ausgerechnet diese privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen »der Einflussnahme des Gemeinderats entzogen bleiben sollen«, missfällt der Linken Liste. Wobei es nicht darum gehe, sich als Kommunalpolitiker ins Detailgeschäft der GmbHs einzumischen, sondern um die »Steuerung der strategischen Ausrichtung«.

Selbst das Diskutieren der Themen in den Ratsgremien gestaltet sich schwierig, gilt doch für die Aufsichtsräte Verschwiegenheitspflicht – selbst den eigenen Fraktionsmitgliedern gegenüber. Diesbezüglich habe sich die Rechtsprechung längst gelockert, betont der Jurist Thomas Ziegler. Auch lasse sie zunehmend mehr Transparenz zu und räume den Räten mehr Einflussmöglichkeit in den kommunalen Gesellschaften ein.

 

Antrag zur Stärkung Bürgernähe, Transparenz und Gleichberechtigung >>>

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