Linke Liste kritisiert Priorisierung

GEA am 11.12.2015
Etat-Hoheit: Räte fürchten Machtverschiebung
Von Andrea Glitz

REUTLINGEN. Die Beschlussvorlage der Verwaltung zur Haushaltskonsolidierung wird von den Gemeinderatsfraktionen unterschiedlich bewertet. Die beiden Linken-Räte Thomas Ziegler und Jessica Tatti fanden das bis dato nicht öffentliche Papier so bemerkenswert, dass sie gestern die Presse zum Gespräch einluden, um Öffentlichkeit zu schaffen – eine Stunde später stellte Oberbürgermeisterin Barbara Bosch in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz ihr Sparkonzept im Rathaus vor.

Dass vom Gemeinderat beschlossene Projekte, die im aktuellen Haushalt finanziert, aber nicht begonnen sind, mit der Priorisierung in die zweite Reihe rücken, schmeckt den linken Räten nicht.
Die Priorisierung komme »in einem sachlichen Gewand daher«, sagte Thomas Ziegler, sie ziele aber darauf, »unwillkommene Beschlüsse auf die lange Bank zu schieben«. »Unter Ziffer drei steht dann alles, was die Verwaltung nicht haben will: Steg, Oberamteistraße, das Kinderhaus in Oferdingen.«
Gefährdet sehen die Linken auch die Gemeinschaftsschulen. Käme der Beschluss, seien sie »mausetot«, glaubt Tatti, entgegen der Ansage aus dem Rathaus. Das Thema dürfe nicht verschoben werden. Nicht zuletzt, weil die Landtagswahl dräue und neue politische Mehrheiten. Auch die Ziffer 5 der Vorlage, die vorsieht, dass keine Beschlüsse mit zusätzlicher Haushaltsbelastung zwischen den Haushaltsberatungen gefasst werden dürfen, empört die beiden. Eine »Selbstbeschneidung im Königsrecht«, sieht Ziegler. »Wir legen uns als Gemeinderat Fesseln an, die uns kommunalpolitisches Handeln verbieten«.
Auf die lange Bank
Gleichzeitig unterstellen die beiden der Verwaltung, sie arbeite gern an »ihren Projekten«, etwa dem Hotel im Bürgerpark. Für einen Wettbewerb sollen 25 000 Euro ausgegeben werden. Zur Gegenfinanzierung solcher Projekte finde der Kämmerer erstaunlicherweise immer Geld, monierten die Räte. (…)

REUTLINGER NACHRICHEN 11.12.2015
Peter Andel

Linke Liste kritisiert Priorisierung
Die Linken halten die Priorisierung der Verwaltung als Ergebnis der Klausurtagungen für einen „grundlegenden Fehler“ und tragen dies so nicht mit.

Eigentlich hätten die Ergebnisse der Klausurtagungen im Juli und Oktober am Dienstag auf der Tagesordnung des Gemeinderats stehen sollen, wurden aber wegen nicht abgeschlossener Vorberatung abgesetzt (siehe auch nebenstehenden Artikel). In diesem Beschlussvorschlag, so Linken-Stadtrat Thomas Ziegler, habe die Stadt eine Priorisierung der Aufgaben vorgenommen, die „wir nicht mittragen“. Ganz nach hinten gerutscht seien zum Beispiel Maßnahmen, die im Doppeletat 2015/2016 nicht finanziert und baulich auch noch nicht begonnen sind, darunter die Gemeinschaftsschulen. Für Ziegler ist das aber „Sprengstoff“, denn bei den Gemeinschaftsschulen müssten doch jetzt Anträge gestellt werden, sonst seien sie „mausetot“. Und ohne Gemeinschaftsschulen, vom Rat und den Eltern gewollt, würden die Reutlinger Schüler in die Nachbarschaft abwandern. Das könne niemand wollen.

Für Ziegler ist die Vorgehensweise der Verwaltung nicht nachvollziehbar. Das, was der Gemeinderat beschlossen habe, aber der Verwaltung nicht passt, werde vorgeblich aus finanziellen Erwägungen auf die lange Bank geschoben: Fußgängersteg, Oberamteistraße, Kinderhaus Oferdingen. Die Verwaltung, sagt der Jurist, setze die Prioritäten, nicht der Gemeinderat und wolle so die Verschiebung von wichtigen Projekten erzwingen. Im Prinzip sei dies eine „Aufforderung der Verwaltung an den Gemeinderat, seine Beschlüsse zurückzunehmen“. Es könne doch nicht sein, dass jüngere Beschlüsse des Gremiums geringeres Gewicht hätten und somit nachrangig behandelt werden. „Das geht nicht“, sagt Ziegler.

„Brisant“ ist laut Stadträtin Jessica Tatti ein weiterer Punkt im Beschlussvorschlag. Zwischen zwei Etatberatungen sollen keine „unterjährigen Beschlüsse“ mit zusätzlicher Haushaltsbelastung gefasst werden, es sei denn „unabweisbare Umstände“ gebieten dies. Damit würde der Gemeinderat sein Königsrecht selbst beschneiden. Es könne nicht sein, so Ziegler, dass sich das Gremium „zwei Jahre Friedhofsruhe“ auferlege. Die Linke Liste ist überzeugt, dass dieser Punkt im Gemeinderat keine Mehrheit finden wird, weil sich niemand solche „kommunalpolitischen Fesseln“ anlegen wolle.

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