Armut ist eine Form von Gewalt

Erschienen in der GEA-Ausgabe vom 15.08.2023
»Armut ist eine Form von Gewalt. An Kindern zu sparen, an Spielplätzen zu sparen, an Jugendzentren zu sparen. Das sind Einsparungen am falschen Ort und zur falschen Zeit. Solche Maßnahmen sichern nicht die Zukunft, sondern zerstören sie«, kommentierte Heribert Prantl kürzlich in der Süddeutschen Zeitung.

Die Stadt Reutlingen ist aufgrund ihrer geringen Einnahmen gezwungen, eine Sparpolitik zu betreiben, die sich den Zuständen von Neukölln, auf die sich Prandl bezieht, immer mehr annähert. Beispielsweise bei der Mobilen Jugendarbeit, deren Zukunft wegen unzureichender finanzieller Förderung akut gefährdet ist. Weiter führt Prantl aus, dass es »ein Hohn ist, wenn armen Kindern der Weg aus ihrem Erbgefängnis verstellt wird wegen der Schuldenbremse«. Und er hat einen Lösungsvorschlag: »Der Staat muss neue Einnahmequellen erschließen: Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, Reichensteuer.« Dann wären die Mittel da, den klammen Kommunen wie Reutlingen mit einem kräftigen Rettungsschirm und mit nachhaltigen höheren Zuwendungen zu helfen, damit sie ihre notwendigen und Zukunft sichernden Aufgaben finanzieren können.

Die Stadträte der Linken Liste sehen es als ihre Aufgabe an, dies anzusprechen, denn Kommunalpolitik kommt hier an ihre Grenzen und wird gezwungen, das Falsche zu machen: Weiterer Flächenverbrauch, um Gewerbe nach Reutlingen zu holen, ohne Rücksicht auf den Klimawandel, aber mit Rücksicht auf mögliche zusätzliche Steuereinnahmen.

Der gesellschaftliche Zusammenhalt und die Demokratie sind gefährdet, wenn die Wohnungsnot weiter zunimmt, wenn die Zahl der Menschen, die zu den inzwischen überforderten Tafelläden strömen, weiter anwächst, wenn Schulen nicht saniert werden, wenn das Kinderbetreuungsangebot unzureichend bleibt und wenn die soziale und kulturelle Teilhabe für viele Menschen an mangelnden finanziellen Mitteln scheitert. Prandl: »Eine wirksame Umverteilungspolitik, eine steuerliche Entreichung der Superreichen, ist daher ein Beitrag zur demokratischen Renaissance in Krisenzeiten.«

Es ginge ein Fenster auf für eine andere Kommunalpolitik: Kostenlose Bildung vom Kindergarten bis zum Studienabschluss, kostenloser und attraktiver ÖPNV, eine aktive Bodenpolitik, die günstigen Wohnraum ermöglicht, Infrastrukturmaßnahmen, die der Klimawandel fordert, wie Fernwärme aus klimaneutraler Energie … Es gäbe viel zu tun und zu finanzieren, um die Stadt sozial, ökologisch und zukunftsfähig zu gestalten. Es wäre eine Wohltat für alle Menschen in Reutlingen. (eg)

(GEA)

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