Jessica Tatti: Bessere Qualifizierung und Beratung in Jobcentern

Rede von Jessica Tatti, 18. Dezember 2019

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Beate Müller-Gemmeke, der Antrag der Grünen greift hervorragende Vorschläge von Arbeits- und Sozialwissenschaftlern, des DGB und der Personalräte der Jobcenter auf, die sie zur Verbesserung der Beratung und der Arbeitsförderung in den Jobcentern vorgelegt haben. Daher vielen Dank für die Einbringung dieses Antrags.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da es aus meiner Sicht nicht möglich ist, alle Forderungen in einem Schritt umzusetzen, will ich auf die aus meiner Sicht drängendsten Punkte eingehen.

Der Vermittlungsvorrang im SGB II muss abgeschafft werden.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es muss endlich Schluss damit sein, dass es das oberste Ziel ist, dass Menschen jeden noch so miesen Job annehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Dadurch entsteht ein frustrierender Drehtüreffekt zwischen Hartz IV und prekärer Beschäftigung. Stattdessen muss die Priorität endlich darauf gesetzt werden, dass Erwerbslose in Arbeit kommen, die ihr Leben und das ihrer Familien nachhaltig verbessert.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Daher ist es völlig absurd, dass Menschen in Hartz IV den letzten traurigen Platz bei der Teilnahme an Weiterbildung belegen. Es muss aufhören, dass sie einfach abgeschrieben werden. Anstatt belangloser Maßnahmen nach dem Prinzip „schnell und unsinnig“ brauchen wir endlich einen Rechtsanspruch auf abschlussbezogene Weiterbildungen.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenfalls schnell einführen müssen wir die Freiwilligkeit von Beratung. Ohne Freiwilligkeit ist keine erfolgversprechende Beratung möglich.

(Beifall bei der LINKEN)

Wie sollen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter Menschen gut und vertrauensvoll beraten, solange sie

gleichzeitig für deren Sanktionierung zuständig sind?

(Martin Reichardt [AfD]: Das klappt doch bei freiwilligen Sprachkursen so gut!)

Das ist ein unmöglicher Spagat. Deshalb gehören Sanktionen abgeschafft.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was fehlt im Antrag? Mir fehlt die bessere Ausbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Jobcentern; denn es gibt keine flächendeckenden Ausbildungs- oder Studiengänge für Beraterinnen und Berater. Zwar qualifizieren die Jobcenter intern sehr intensiv, aber eben vor allem für Informationen und Stellenvermittlung.

(Martin Reichardt [AfD]: Unqualifizierte finden doch einen Platz in der Linksfraktion, oder?)

Gerade in Bezug auf die individuelle Beratung und die Weiterbildungsberatung ist das unzureichend.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb sollten wir gemeinsam mit den Jobcentern und den Personalräten über die Entwicklung und die Einführung von Studiengängen ins Gespräch gehen.

Nach dem ehrlichen Lob für Ihren Antrag, Kolleginnen und Kollegen der Grünen, muss ich Ihnen aber doch noch eine sehr ernste politische Frage stellen.

(Pascal Kober [FDP]: Jetzt bin ich gespannt!)

Mit wem wollen Sie das eigentlich umsetzen? Sie haben eben die Rede von Herrn Zimmer von der Union gehört. Sie sollten Ihre Liebäugelei mit Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz schleunigst beenden; denn der Antrag wäre dann nicht mehr als reine Verhandlungsmasse.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer wirklich will, dass Sozialleistungsberechtigte in den Fokus der Politik rücken – genau das verdienen sie –, der braucht eine andere politische Mehrheit –

jenseits derer, die nichts kapiert haben und die auch nichts kapieren wollen und die Hartz IV bis heute rechtfertigen.

(Beifall bei der LINKEN – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie denn die Frage für sich beantwortet?)

No Comments

Sorry, the comment form is closed at this time.