Wahlkampf mit Klampfe

Musikalische Einstimmung in Wahlkampf-Endspurt: Der Wahlkreis-Kandidat der Linken, Günter Herbig, singt internationales Liedgut für sein Publikum und »seinen« Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger (im Anzug) in der Reutlinger Kaiserhalle. FOTO: Martin Schreier

Musikalische Einstimmung in Wahlkampf-Endspurt: Der Wahlkreis-Kandidat der Linken, Günter Herbig, singt internationales Liedgut für sein Publikum und »seinen« Bundesvorsitzenden Bernd Riexinger (im Anzug) in der Reutlinger Kaiserhalle. FOTO: Martin Schreier

(GEA vom 20.09.2013 VON MARTIN SCHREIER)

REUTLINGEN. Von Krieg halten die Linken nichts. Dennoch ziehen sie in den Kampf, den Bundestagswahlkampf. Ihn führen sie mit Worten: gesprochen, geschrieben – und gesungen. So etwa am Mittwochabend. Reutlingens »linker« Bundestagskandidat Günter Herbig hatte zum Auftritt des Bundesvorsitzenden der Linken, Bernd Riexinger, in die Kaiserhalle geladen und griff zur Einstimmung erst mal eigenhändig in die Saiten. »Seit ich denken kann, mache ich Musik«, sagt Herbig. Nur im Wahlkampf fehle ihm die Zeit. Aber wenn er im November in Rente geht, soll sich das ändern.

Die Kneipe im Griff

Eigentlich hätten am Mittwochabend irische Melodien erklingen sollen. Aber ohne Fiedel hätte sich das nicht so gut angehört, meint Herbig und singt stattdessen mit Gitarre: »The Time They Are Changing.« Obwohl ihn niemand auf der Bühne begleitet – Parteichef Riexinger ist eigenem Bekunden nach nicht musikalisch – muss der 64-Jährige nicht alleine musizieren. Beim Bürgerlied von Hannes Wader stimmen die Kneipenbesucher mit ein. »Ob wir in der Welt was schaffen oder nur die Welt begaffen, das tut was dazu.« Spätestens bei seinem letzten Song, dem spanischen Streiklied »A La Huelga Compañero« hat die friedliche Wahlkampflust der Linken die ganze Kneipe im Griff.

Im Interview hatte sich der Bundestagskandidat zuvor über eine ungleiche Berichterstattung bei den öffentlich-rechtlichen Sendern geärgert. Eine »riesige Sauerei« sei das angesichts von fünf Millionen Linkenwählern. »Nach der letzten Wahl hatten wir Linken acht Sitze mehr im Bundestag als die Grünen.« Das wüssten die wenigsten und spiegele sich nicht in der Berichterstattung. Dabei brauche es die Linke als Opposition im Bundestag.

Die wichtigsten Themen sind für ihn: Soziales, Friedenspolitik und der Euro. Hartz IV gehöre abgeschafft und durch eine sanktionsfreie Grundsicherung von 500 Euro ersetzt. Außerdem fordert er, dass sich die Bundeswehr nicht mehr an Auslandseinsätzen beteiligt. 17 Milliarden Euro habe der Afghanistaneinsatz gekostet. Und was hat er gebracht? Obwohl er so richtig in Fahrt ist, überlässt er die Wahlkampfrede an diesem Abend dem Bundesvorstand der Linken.

Bernd Riexinger stößt im Laufe des Abends ins gleiche Horn, verbreitet aber erst mal Optimismus. Als Parteivorsitzender bekomme er täglich Umfragen auf den Tisch. »Nach der letzten liegen die Linken vor den Grünen.« Beifall. »Zumindest bei dem Institut, das wir mitbezahlen.« Lautes Gelächter. »Man sieht in Baden-Württemberg, was passiert, wenn Grün-Rot regiert.« 15 Wahlversprechen seien nicht eingehalten worden. Die Landesregierung sei angetreten, um eine Bildungsreform umzusetzen. Jetzt habe sie beschlossen, 11 600 Lehrerstellen abzubauen. »Wie kann man mit weniger Lehrern eine bessere Bildung hinkriegen?«

Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel, die den Bürgern das Märchen vom Wohlstand erzähle, kritisiert Riexinger die SPD. Die habe ihr Wahlprogramm in Teilen von der Linken abgeschrieben. Es sei wie zur Schulzeit. Der Schlechtere schreibe vom Besseren ab.

Links blinken, rechts abbiegen

Dennoch warnt Riexinger vor der SPD: »Sie wird vor der Wahl links blinken und danach rechts abbiegen.« Die Linke sei die einzige Oppositionspartei im Bundestag. Mindestlohn und eine gerechtere Lastenverteilung fordert er. Hart kritisiert er die stetige Abnahme von Tarifverträgen. Im Osten seien nur noch 38 Prozent der Erwerbstätigen über einen Tarifvertrag beschäftigt. Leiharbeit sei moderne Sklaverei und gehöre abgeschafft. Bis dahin müssten Leiharbeiter einen Flexibilisierungszuschlag von zehn Prozent erhalten. Das Publikum in der Kaiserhalle haben Günter Herbig und Bernd Riexinger an diesem Abend jedenfalls auf ihrer Seite. Nach einer kurzen Fragerunde ertönt dann wieder Musik. Nun aber aus der Konserve. (GEA)

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