Ein Wohnungsmarkt für Profite

Am 21. März stimmten wir – die Linke Liste – gegen die Verwaltungsvorlage zur Reutlinger Wohnungspolitik, nachdem diese durch Anträge der FWV, WIR, FDP und CDU verschlechtert wurde.

Mit der Aufweichung der vorgeschlagenen Bindungsfrist von 40 Jahren für Sozialwohnungen verfolgen diese das Ziel, mit Anreizen den Investoren das Bauen zu erleichtern. Künftig ist es Investoren möglich, die Bindungsfrist von geförderten Wohnung auf nur 10 Jahre zu begrenzen. Das verstärkte Bauen privater Investoren, so die Erwartung, würde den Wohnungsmarkt entspannen, sowie mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen.

Laut einer Studie im Auftrag der ZEIT könnte die Entwicklung in Pforzheim diesem Ansatz Recht geben. Dort wurde zu wenig gebaut. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl gibt es dort weniger Wohnungen als vor zehn Jahren. Die Mieten schossen binnen zehn Jahren um mehr als 50 Prozent nach oben. Also hilft Bauen, bauen bauen?

In dieser ZEIT-Studie heißt es weiter: „Doch es gibt eben auch viele Städte, die mehr als genug gebaut haben. Und hier sind die Mieten fast genauso stark gestiegen. In Würzburg ist dreimal mehr gebaut worden, als es der Bevölkerungszuwachs erfordert hätte. Die Mieten sind trotzdem mächtig gestiegen. Ähnlich ist es in Heilbronn. Auch hier überstieg der Neubau das Bevölkerungswachstum. Der Heilbronner Mietmarkt müsste heute also entspannter sein als 2012. Dennoch sind die Mieten um 58 Prozent gestiegen.“ Mit Sicherheit lag das daran, dass dort der Anteil an öffentlich geförderten Wohnungen zu gering war.

Laut Reutlinger Wohnraumbericht 2022 schrumpfte bundesweit der Bestand an Sozialwohnungen von 3,9 Mio. im Jahr 1987 auf ca. 1,1 Mio. im Jahr 2021. Der GWG haben wir es zu verdanken, dass hier die Situation besser ist als im Landesdurchschnitt. Doch wissen wir, dass dies nicht ausreicht, die Nachfrage nach Sozialwohnungen zu befriedigen. So wie z.B. die Altersarmut steigen wird, wird auch diese Nachfrage steigen.

Der Ansatz Preis-Bindungsfristen zu reduzieren, wird die Wohnungsnot in Reutlingen weiter verschärfen. Statt sich an Best-Praxis-Beispiel zu orientieren, wird hier auf den Markt gesetzt, der dem Anspruch jedem angemessen und bezahlbaren Wohnraum zu bieten, nie gerecht werden kann. Die europaweit anerkannte beste Wohnungspolitik macht die Stadt Wien, in der zwei Drittel in städtischen und genossenschaftlichen Wohnungen leben, mit gedeckelten Preisen ohne auslaufende Bindungsfrist. Dort ist es möglich für 5 € pro Quadratmeter in der Innenstadt zu wohnen. Die dortigen gesetzlichen Möglichkeiten haben wir nicht. Aber wir haben die Möglichkeit eine optimale Regelung zu treffen: Das ist die vorgeschlagene 40jährige Bindungsfrist. Fallen Wohnungen sehr viel früher aus dieser Frist, müssen die Verluste an sozialem Wohnraum durch weitere Neubaumaßnahmen kompensiert werden. Ein Vorhaben, an dem Deutschland in den letzten Jahren grandios gescheitert ist. Neben dem sozialen wird dabei auch der ökologische Aspekt ignoriert. Und mit dem Klima kann man nicht verhandeln.

Der Bau- und Gebäudesektor ist einer der Haupttreiber des Klimawandels. Mit allen vor- und nachgelagerten Bereichen macht er 40 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen aus. Die Bundesregierung will bis 2030 die Flächenneuinanspruchnahme pro Tag auf 30 Hektar und bis 2050 auf Netto-Null begrenzen. Täglich werden in Deutschland im Schnitt rund 54 Hektar Freifläche neu als Verkehrs- und vor allem als Siedlungsflächen ausgewiesen. Gleichzeitig gibt es in Deutschland so viel verfügbaren Wohnraum wie nie zuvor, innerhalb eines Jahrzehnts kamen zuletzt mehr als zwei Millionen neue Wohnungen hinzu. Der Stuttgarter Architekt Werner Sobek sagt zu ökologischen Bilanz dieser Entwicklung: „Man hat es tatsächlich geschafft, den Energiebedarf pro Quadratmeter Wohnfläche innerhalb von 40 Jahren zu halbieren“. „In der gleichen Zeit hat sich aber die Wohnfläche pro Kopf verdoppelt: Der Bedarf pro Mensch blieb der gleiche.“ Ein Nullsummenspiel.

Die Lösung kann also weniger im Neubau auf unversiegelten Flächen liegen, sondern in einer besseren Verteilung des vorhanden Wohnraums und in einer Innenentwicklung, die z.B. die graue Energie nutzt. Das war auch der Grund für unsere Ablehnung des Flächennutzungsplans, der eine weitere Bebauung und damit Versiegelung von 80 ha Außenflächen ermöglicht. Unser Antrag zuerst alle Möglichkeiten der Innenentwicklung auszuschöpfen, bevor im Außenbereich gebaut wird, fand keine Mehrheit.

Die europäische Menschenrechtskommissarin Dunja Mijatović hat Deutschland dieser Tage aufgefordert, den Schutz der Menschenrechte voranzutreiben. Unter anderem spricht sie sich für Eingriffe in den Wohnungsmarkt aus, für „umfassende und langfristige Maßnahmen, inklusive durch entsprechende Änderungen des Mietrechts.“ Ein klares Signal. Der Markt kann es nicht richten, wir stehen in der Verantwortung in unserer Kommune, das Menschenrecht auf eine angemessene Wohnung allen Bürgerinnen und Bürgen dieser Stadt zu ermöglichen.

DIE LINKE zum Thema „Wohnen“

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