Petra Braun-Seitz‘ Haushaltsrede 23

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Kreistags, sehr geehrter Herr Landrat Dr. Fiedler, sehr geehrte Damen und Herren,

wieder einmal war das Jahr 2022 eines mit besonderen Herausforderungen. Die Corona Pandemie war auch dieses Jahr zu bewältigen. Der Krieg in der Ukraine hat unsere Gesellschaft schwer getroffen, unser Landkreis musste so viele Geflüchtete wie nie zuvor auf einmal unterbringen. Deutschland steht durch die Folgen des Krieges vor den größten sozialen Verwerfungen seit Jahrzehnten. Die Preise für Strom und Gas sind explodiert, Energiekonzerne haben zu Lasten der der Verbraucherinnen und Verbraucher riesige Gewinne gemacht. Hingegen betrug die durchschnittliche Tarifsteigerung in diesem Jahr nur 2,7%. Berücksichtigt man die hohe Inflationsrate, so ergibt sich ein Kaufkraftverlust von nahezu 5%, ermittelte die Hans-Böckler-Stiftung. Solch ein Reallohnverlust ist bisher in der Geschichte der Bundesrepublik nicht vorgekommen, und im kommenden Jahr könnte es so weitergehen.

Die Absicht der Bundesregierung soll sein, die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Aber wie wirken die Entlastungspakete sich aus: Wer in diesem Jahr gespart hat oder sparen musste, weil er gar nicht anders konnte, der bekommt so gut wie gar nichts. Beim Strom- und Gaspreisdeckel gilt: Je höher der Verbrauch, desto höher die Entlastung – das ist doch die Wahrheit. Das bedeutet, wer eine Villa hat, der bekommt viel mehr als der Mieter einer kleinen Wohnung. Das ist sozialpolitischer Wahnsinn. Die Gas- und Strompreisbremse bedeutet also eine Umverteilung von unten nach oben.

Jedoch müssen die Entlastungspakete und auch die 100 Mrd Sonderetat für die Bundeswehr finanziert werden, dafür werden Kredite aufgenommen, die in den Folgejahren wieder getilgt werden müssen, mit Zinsen, da die EZB den Leitzins angehoben hat. Daraus folgt eine zusätzliche Belastung für kommende Haushalte des Bundes und Bindung von Steuermitteln. Die Bürgerinnen und Bürger werden ihre Entlastungsleistungen letztendlich selbst finanzieren. Denn unsere Regierung hat es versäumt, beispielsweise durch eine Übergewinnsteuer zusätzliche Einnahmen zu schaffen. Für die Kommunen sind in den nächsten Jahren durch diese Entwicklung sicherlich Einnahmeausfälle zu verzeichnen, denn den Letzten beißen bekanntermaßen die Hunde.

Der Haushalt des Jahres 2023 enthält wichtige Investitionen wie z. B. für die Regionalstadtbahn, den Neubau des Landratsamts, Schulsanierungen, Investitionszuschüsse für die Kreiskliniken. Der Ergebnishaushalt ist geprägt durch steigende Sachkosten vor allem im Bereich der Energiekosten. Die Personalkosten steigen ebenfalls. In groben Zügen sind wir mit dem ursprünglich aufgelegten Verwaltungsvorschlag einverstanden.

Bei der Haushaltseinbringung legte der Landrat dar, dass die Sachkosten sorgfältig kalkuliert seien und dass der Stellenplan 2023 nur absolut notwendige Stellen enthält. Stellenmehrungen werden mit Aufgabenmehrungen, belegt durch Organisationsuntersuchungen, begründet. In der jetzt aufgelegten Änderungsliste sind nun 10 Vollzeitstellen weniger geplant. Bisher war es im Kreistag üblich, dass Streichungsvorschäge von den Fraktionen schriftlich gestellt wurden. Damit war Transparenz gewährleistet. Wir erwarten künftig wieder nachvollziehbare Vorgänge bei der Haushaltsberatung.

Die von der Verwaltung geplanten Stellen werden zur Aufgabenerfüllung gebraucht. Keinesfalls darf auf dem Rücken der Beschäftigten gespart werden. Es ist jetzt schon schwierig, qualifizierte Fachkräfte zu finden. Wenn aber schon klar ist, dass mit weniger Personal immer mehr Arbeit erledigt werden soll, – und das bedeuten Stellenstreichungen – motiviert das niemand für einen Job im öffentlichen Dienst. Deshalb stellen wir zusammen mit der SPD und den Grünen den Antrag, die Stellenstreichungen rückgängig zu machen.

Zurzeit findet die Tarifrunde im öffentlichen Dienst statt. Eine Abordnung der Beschäftigten der Kreiskliniken und anderer Bereiche hat zu Beginn der Kreistagssitzung eine Petition übergeben. Sie bekommen für ihre Arbeit nicht alle Spitzengehälter, die Inflation und die Energiekostensteigerungen treffen sie daher stärker. Auch dass nicht alle Klinikbeschäftigten Corona Zulagen bekommen haben, sorgt für Unmut. Wir möchten an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreiskliniken, des Jobcenters und aller Dienststellen des Landratsamts danken für das Engagement, mit dem sie auch in diesem Jahr wieder die Corona Pandemie, die Aufnahme von Geflüchteten und ihre sonstigen vielfältigen Routine- und zusätzlichen Aufgaben gemeistert haben. Sehr geehrter Herr Landrat, treten Sie auf der Arbeitgeberseite dafür ein, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre unverzichtbare Leistung besser bezahlt werden!

Kein Verständnis haben wir für die uns gerade erst am letzten Freitag zugegangenen Anträge zur Senkung der Kreisumlage. Wo soll denn bitte schön gespart werden? Etwa an den Heizkosten der Schulen oder in der Jugendhilfe? Wir sehen dazu keine Möglichkeiten. Verständlicherweise ist bei den Städten und Gemeinden nach den Belastungen durch die Corona Krise und durch die Preissteigerungen bei den Sachkosten das Geld knapp, besonders da Belastungen durch Corona nicht mehr von Bund und Land wie zu Beginn der Krise ausgeglichen wurden. Aber der Landkreis erbringt doch für die Städte und Gemeinden Leistungen im Sozialbereich, bei der Infrastruktur, beim ÖPNV usw., die für diese unverzichtbar sind.

Aus unserem Selbstverständnis zur kommunalen Daseinsvorsorge ergibt sich die Pflicht, sich in besonderer Weise um die zu kümmern, die aktuell die Verlierer sind. Da die Energiekrise hautsächlich Menschen mit niedrigem Einkommen trifft, haben wir vier Haushaltsanträge gestellt, die Menschen mit kleinem Geldbeutel entlasten sollen.

Wir können uns einen sozialen Energiefonds vorstellen, aus dem Bürgerinnen und Bürger, die durch die exorbitanten Energiepreissteigerungen in existenzielle Not geraten, unterstützt werden. Von den steuerrechtlichen Änderungen der Entlastungspakete profitieren überwiegend hohe Einkommen, Strom- und Gaspreisdeckel entlasten mehr Bewohner großzügiger Häuser und Villen als diejenigen, die in kleinen Wohnungen leben und sowieso schon sparen mussten. Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen brauchen mehr und mehr ihre Ersparnisse auf, um über die Runden zu kommen. Es ist absehbar, dass viele Menschen in „Energiearmut“ geraten werden. Insbesondere können Geringverdiener, die ein Einkommen knapp über den Hartz IV Sätzen bzw. dem neuen Bürgergeld liegt, davon vermehrt betroffen sein. Leider fand dieser Antrag in der Vorberatung wenig Zustimmung, wir verzichten daher heute auf ihn.

Zu einer bezahlbaren Mobilität im Landkreis auch für Bezieher kleiner Einkommen haben wir ebenfalls einen Antrag gestellt. Zur Bewältigung der Klimakrise ist es unverzichtbar, den ÖPNV weiter auszubauen. Die starke Nutzung des 9-Euro-Tickets diesen Sommer hat gezeigt, dass durch eine Senkung der Ticketpreise Bürgerinnen und Bürger verstärkt mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Das von der Bundesregierung angekündigte Deutschlandticket in Höhe von 49 Euro monatlich geht in die richtige Richtung, erweist sich aber in Zeiten hoher Inflation als doch für viele zu teuer. Deshalb hatten wir vorgeschlagen, 2023 zusammen mit dem Verkehrsverbund naldo für den ÖPNV im Landkreis ein Konzept für ein 365-Euro-“Klimaticket“, also1 Euro pro Tag zu entwickeln. Dieser Antrag fand in der Vorberatung ebenfalls wenig Unterstützung, aus diesem Grund stellen wir ihn heute nicht erneut. An diesem Thema werden wir dranbleiben, denn die Erfahrung zeigt, dass viele Bürgerinnen und Bürger bereit sind, für einen attraktiven Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel einen Euro pro Tag in die Hand zu nehmen. So erwies sich beispielsweise das 365-Euro-Jahresticket der RSV als voller Erfolg und steigerte die Fahrgastzahlen deutlich.

Besonders betroffen von der derzeitigen Krise sind Familien, und damit Kinder und Jugendliche. Inzwischen ist bei uns im Land fast jedes 4. Kind von Armut bedroht. Der Hauptgrund für Kinderarmut ist Einkommensarmut der Eltern. In der Corona-Pandemie waren vor allem Familien mit niedrigem Einkommen, insbesondere Alleinerziehende, verstärkt von Armut betroffen. Dies wird durch die gegenwärtige Energiekrise weiter verschärft. Wir haben bereits vor einigen Monaten vorgeschlagen, ein lokales Präventionsnetzwerk gegen Kinderarmut zu schaffen und dafür Fördermittel des Landes zur flächendeckenden Einrichtung von kommunalen Präventionsnetzwerken gegen Kinderarmut in Baden-Württemberg abzurufen. Da dies noch nicht erfolgt ist, stellen wir den Haushaltsantrag, ein solches Präventionsnetzwerk zu schaffen und notwendige Eigenmittel einzuplanen. Diesen Antrag stellen wir heute weiter zur Abstimmung

Präventionsnetzwerke, die die Zusammenarbeit der lokalen Akteure intensivieren, sind ein wirkungsvolles Instrument zur Bekämpfung von Kinderarmut. „Kein Kind darf verloren gehen!“ – durch stärkere Vernetzung können mehr Angebote die Kinder und Jugendlichen erreichen und dazu beitragen, die sozialen Nachteile und fehlenden Teilhabechancen auszugleichen. So kann jungen Menschen erspart werden, dass sich materielle Armut in der Kindheit auf das Erwachsenenleben auswirkt.

Wie Maria Montessori schon sagt: „Nicht das Kind sollte sich der Umgebung anpassen, sondern wir sollten die Umgebung dem Kind anpassen.“ – Schaffen wir also eine Umgebung, die Kinderarmut so gut wie möglich bekämpft. Kinder sollten nicht auf der Schattenseite des Lebens aufwachsen!

Die Arbeit der AWO im Landkreis bedarf dringend der Unterstützung. Für die Wohnungsnotfallhilfe der Arbeiterwohlfahrt beantragen wir, die Mittel wie von der AWO dargelegt, in den Kreishaushalt einzustellen, über die 2%ige Dynamisierung hinaus, die im Verwaltungsvorschlag enthalten ist. Mit der bisherigen Dynamisierung allein kann die Arbeit nicht im notwendigen Umfang fortgeführt werden. Besonders schlagen die dramatischen Energiepreissteigerungen und die höheren Personalkosten durch.

Über die wertvolle Arbeit der AWO sind wir uns sicher alle einig. Die AWO hat mehrfach auf die Notwendigkeit der Erhöhung hingewiesen, zuletzt mit Mails an die Fraktionsvorsitzenden. Durch die aktuellen Preissteigerungen bei den Nebenkosten kann Mietern der Verlust der Wohnung drohen – hier müssten wir eigentlich freiwillig mehr Mittel einsetzen. Denn jedes Mal, wenn der Verlust der Wohnung abgewendet werden kann, bleiben dem Etat des Sozialamts hohe Kosten erspart. 37.400 Menschen leben in Deutschland auf der Straße – eine alarmierende Zahl. Die eisigen Temperaturen, die zurzeit herrschen, machen uns klar, wie wichtig es ist, ein Dach über dem Kopf zu haben – aktuell droht Wohnungslosen, die auf der Straße übernachten, der Erfrierungstod. Auch diesen Antrag stellen wir heute nochmals zur Abstimmung.

Nun hoffe ich, dass wir einen sozial ausgewogenen Haushalt beschließen.

Zum Schluss wünsche ich nun Ihnen und ihren Familien frohe Festtage und einen guten Start ins neue Jahr.

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