02 Apr Ladensterben in Reutlingen
Am 02. April im Reutlinger Generalanzeiger
Nach der Kaufhof-Schließung die neue Hiobsbotschaft: Auch Breuninger verlässt unsere Stadt. Besonders auffällig ist der Leerstand in der Kanzleistraße. Er beginnt dort, wo die Fußgängerzone aufhört. Trotz oder wegen des Parkplatzangebots und der freien Zufahrt. Böhmermann lästerte kürzlich, dass Sitzgelegenheiten fehlen würden, um diesem Ladensterben zusehen zu können.
Platz fehlt auch für Fußgänger, Radfahrende, Kinder und Grün. Rund um die Altstadt gibt es mehrere Parkhäuser, die auch mobilitätseingeschränkten Menschen kurze Wege ermöglichen. Es gibt Einzelhändler, die für ihren Umsatzrückgang den Mangel an Parkplätzen verantwortlich machen. Kunden, die mit dem Auto kommen, beklagen sich. Die Kunden, die zu Fuß, mit dem Rad oder Bus kommen, haben diesbezüglich keinen Grund. So entsteht ein schiefes Bild. Weltweit durchgeführte Studien ergaben, dass Kunden, die mit dem Auto kommen, nur für 20 Prozent des Umsatzes sorgen.
Überall wo autofreie Zonen entstehen, profitiert der Einzelhandel mit wachsenden Umsatzzahlen. Wir teilen die Vision des Bundesumweltamtes zur Zukunft der Städte. Die Merkmale sind: »Umweltschonende Mobilität, lärmarm, grün, kompakt und durchmischt. Die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum ist hoch, zum Beispiel durch zahlreiche Sitzgelegenheiten und geringe Lärm- und Schadstoffbelastung.« Für uns ist es wichtig, dass diese Entwicklung sozial gestaltet wird. Als Ziel definiert das Umweltamt ein Motorisierungsgrad von maximal 150 zugelassenen Pkw pro 1.000 Einwohner.
Davon sind wir in Reutlingen mit etwa 600 Pkw weit entfernt. Damit sich Menschen auf Straßen und Plätzen gerne aufhalten und begegnen, müssen diese entsprechend gestaltet werden. Dafür gibt es auch für eine finanziell klamme Stadt kostengünstige Lösungen. Zum Beispiel bemalte Straßen, die es unter anderem in Wien und Kopenhagen gibt.
Das wäre eine Möglichkeit, die sich in der Oststadt an den Übergängen der Planie anbietet, aber auch auf vielen Kreuzungen und Straßen vor Schulen und Kindergärten in der ganzen Stadt. Wir haben große Hoffnung, dass die »M59«-Biosphären-Manufakturenhalle in der Metzger-straße ein Erfolg wird. Eine autofreie Metzgerstraße wäre ein guter Beitrag dazu, denn Fußgänger sollten sich dort gerne aufhalten. Heute sind sie nicht erwünscht, sondern nur geduldet. Unter Einbeziehung der Bewohner und der Gewerbetreibenden wollen wir das ändern und nicht falsch verstanden werden: Anwohner die auf ihren Pkw angewiesen sind und Anlieferer, sollten selbstverständlich nicht aus der Altstadt verbannt werden.
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