Rede auf der Gedenkfeier für die Opfer des Nationalsozialismus

Gehalten von Timo Widmaier bei der Veranstaltung des VVN-BdA am 26.11.2023
auf dem Reutlinger Friedhof unter den Linden

Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter,

es ist wichtig gegen das Vergessen anzukämpfen und dafür einzutreten, dass der Faschismus NIE WIEDER seine Verbrechen gegen die Menschheit begehen kann.

Wir dürfen nicht zulassen, dass diese Erinnerung daran als Museumsstück in einer Vitrine verstaubt.
Eine Vitrine, die das schlimme „Damals“ vom demokratischen „Heute“ trennt. Gerade jetzt, wo rechtsradikale Positionen immer erfolgreicher in die Mitte der Gesellschaft getragen werden. Wo Menschenrechte an den Grenzen Europas enden sollen. Wo Jüdisches Leben nicht nur in Nahost, sondern auch in Deutschland ganz konkret bedroht ist. Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir den Ernst der Lage begreifen und nicht darauf warten, dass die Mehrheiten endgültig kippen, denn dann ist es zu spät.
Das bedeutet: Auch in komplizierten Zeiten Haltung bewahren. Auch dann, wenn man man selbst Angst vor der Zukunft hat. Auch dann, wenn man glaubt, dass die sogenannte „Stimmung im Land“ eine andere ist.

Wir leben in einer Zeit voller Krisen. Die wirtschaftliche und weltpolitische Grundlage dafür, dass autoritäre Haltungen und menschenverachtende Positionen mehrheitsfähig werden, ist gegeben. Was wir dagegen brauchen sind solidarische, internationale und das Soziale stärkende Antworten auf die Krisen – und diese Antworten müssen glaubwürdig sein.
Aber wir müssen auch erkennen, dass die Kämpfe nicht nur materieller Natur sind, sondern wir uns in einem Kulturkampf befinden. Die Rechten versuchen beides zu verbinden: Sie vermischen Kritik an Kriegen mit Hass auf fremde Menschen und deren Kulturen. Sie vermischen Kritik am Abbau des Sozialstaats mit der Verachtung alternativer Lebensentwürfe und Frauenrechten. Sie vermischen die finanziellen Sorgen der Bürgerinnen und Bürger mit der Ablehnung von Klimaschutz und Nachhaltigkeit. – Wer nur das eine bekämpft aber das andere toleriert, und sei es auch im Glauben, dass man sonst den Anschluss an die Gesellschaft verliert, der wird den Kampf gegen Rechts nicht gewinnen. Er wird sich stattdessen selbst in einer Logik wiederfinden, die nur den Rechten und ihrer Politik etwas nutzt.

Wir werden den Faschismus nicht besiegen, indem wir ihm stellenweise nachgeben. Und sei es auch in der Hoffnung, die extremsten Auswüchse dadurch verhindern zu können. Was wir stattdessen brauchen ist die Einheit all derer, die den Faschismus und menschenfeindliche Politik verhindern wollen. Einen Kampf gegen Rechts auf allen Ebenen: ökonomisch aber auch kulturell.

Wir brauchen demokratische Antworten auf die aktuellen und bevorstehenden Krisen und eine glaubwürdige Perspektive, die auf solidarischen, freiheitlichen und internationalen Werten basiert.

Rufen wir auf, zu einer breiten Mauer gegen Rechts, die dieser Politik nicht mit faulen
Kompromissen die Hintertür zur demokratischen Mitte öffnet, sondern ihr auf allen Ebenen
entgegentritt.

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