Zweitwohnungssteuer in Reutlingen: „Das ist eher ein Akt der Gerechtigkeit.“

Südwestpresse am 30.11.09 – Reutlingen.
Wie bereits rund 100 Kommunen im Land, erhebt Reutlingen ab 1. Januar 2010 auch eine Zweitwohnungssteuer.
Es geht um 1,3 Millionen Euro.
Die Zweitwohnungssteuer, erläuterte Kämmerer Frank Pilz im Gemeinderat, ist eine örtliche Verbrauchs- und Aufwandssteuer, die eine Kommune einführen kann. Reutlingen erhofft sich davon unmittelbar höhere Einnahmen. Rund 5000 Personen haben derzeit einen Nebenwohnsitz gemeldet. Die Verwaltung erwartet, dass es mit der Einführung 2000 Abmeldungen – darunter auch „Karteileichen“ – und 1250 Ummeldungen zum Hauptwohnsitz geben wird. Von den verbleibenden 1750 Nebenwohnsitzen, zieht man vergleichbare Steuersätze heran, werden 400 000 Euro ins Säckel gespült – wovon allerdings die Kosten für zwei zusätzliche Stellen abgezogen werden müssen.
Durch die Ummeldungen zum Hauptwohnsitz erhöhen sich ferner die Schlüsselzuweisungen des Landes, was nochmals 900 000 Euro bringt – in der Summe also satte 1,3 Millionen Euro.
Für Pilz macht die Einführung der Zweitwohnungssteuer auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung Sinn. Denn die Stadt muss die entsprechende Infrastruktur vorhalten, obwohl der Wohnungsbesitzer so gut wie nie anwesend ist, was in Tourismusorten ein nicht zu unterschätzendes Problem darstellt. Manche halten, wie der Kämmerer weiß, Zweitwohnsitze nur deshalb, weil sie so an eine Parkberechtigungskarte kommen.
Im konservativen Teil des Gremiums herrschte keineswegs ungeteilte Freude über das städtische Vorhaben: „Sozialismus pur“, warf der für seine Zwischenrufe bekannte Hagen Kluck (FDP) ein. Das Ganze könne man in der Bevölkerung auch als „Reichen- oder Neidsteuer“ auffassen, ergänzte Hans Hubert Krämer (FWV). Auch auf der anderen Seite im Ratssaal keimte Unmut auf. „Es könnten soziale Unebenheiten entstehen“, meinte Rainer Buck von den Grünen.
Frank Pilz, der Hüter der Finanzen, wies die Kritik von sich. Es gehe lediglich um solche Zweitwohnungen, die „für die persönliche Lebensführung“ gehalten würden. Keine Sorge müssten zum Beispiel Pflegebedürftige in Heimen oder Studenten haben, die über ein Zimmer ohne Bad/Dusche und Küche verfügen. Auch Einliegerwohnungen fielen nicht unter die Steuerpflicht. Im Übrigen, so Pilz, gehe er von der Steuerehrlichkeit des Bürgers aus. Er und seine Mitarbeiter würden keineswegs „von Haus zu Haus mit dem Fernrohr“ rumgehen.
Was selbst in der Universitätsstadt Tübingen mit den vielen Studenten ohne Schwierigkeiten eingeführt wurde, sagte OB Barbara Bosch, müsste auch in Reutlingen möglich sein. Linken-Stadtrat Thomas Ziegler brachte es schließlich auf den Punkt: „Das ist eher ein Akt der Gerechtigkeit.“

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